Historical Saison Band 18
die Verärgerung der Witwe hatte, war Georgiana zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, um auch nur den Versuch zu unternehmen, die alte Dame zu beschwichtigen. Während der langen Rückreise hatte sie genügend Zeit gehabt, über ihre Zukunft nachzudenken. Und diese sah, aus welchem Blickwinkel sie sie auch immer betrachtete, ausgesprochen düster aus.
„Es ist vorbei, Madam“, sagte sie leise. „Jetzt ist alles vorbei.“
Nur einem Narren wären die Trostlosigkeit in Georgianas Stimme und das bekümmerte Flattern ihrer Wimpern, mit dem sie gegen die Tränen ankämpfte, entgangen. Doch die Witwe war alles andere als begriffsstutzig.
Sie erhob sich von ihrem Frisiertisch und führte die junge Frau in ihren privaten Salon. „Ich denke, Sie sollten sich besser hinsetzen und mir alles erzählen, mein liebes Kind.“
„Zweifelsohne wird Ihnen Lord Fincham eine ausführlichere Erklärung der Ereignisse geben, Madam. Er hat auf dem letzten Ball absichtlich verlauten lassen, dass er London mit dem Schmuck, den er mir anlässlich unserer Verlobung geschenkt hat, verlassen wolle. Er setzte sein Leben aufs Spiel, um den Drahtzieher der Raubüberfälle zur Rechenschaft zu ziehen. Ich fand heraus, was er vorhatte, habe die Stadt verlassen und bin ihm gefolgt. Der Überfall wurde vereitelt, und die Beteiligten … die Schurken, die überlebten, wurden von den Männern des Liphooker Magistrats abgeführt. Die anderen Bandenmitglieder werden gerade jetzt, während wir miteinander sprechen, verhaftet. Der Anführer ist niemand Geringerer als Lord Chard, obgleich er sich selbstverständlich nicht persönlich an den Überfällen beteiligt hat. Der Mann, der Ihren Sohnes getötet hat, befindet sich bereits in Händen der Staatsgewalt und wird sich vor Gericht verantworten müssen.“
„Sie haben sich einer sehr großen Gefahr ausgesetzt“, stellte die Witwe nicht ohne eine gewisse Bewunderung fest. „Sie müssen Lord Fincham wirklich sehr lieben.“
Georgiana starrte ins Leere. „Ich habe ihn von Anfang an geliebt, wie Sie vermutlich die ganze Zeit schon geahnt haben. Und daran wird sich auch niemals etwas ändern. Ich werde daher London morgen wieder verlassen.“
„Ich verstehe Sie nicht recht, meine Liebe.“
„Mylady, die Verlobung war von Beginn an nur ein Täuschungsmanöver, das sich der Viscount ausgedacht hat, um die Nachforschungen zu erleichtern. Er überzeugte mich, dass wir erfolgreicher sein würden, wenn wir zusammenarbeiteten. In Wahrheit wollte er alles allein in die Hand zu nehmen und mich so weit wie möglich heraushalten.“
Die alte Dame musste über Georgianas missmutigen Tonfall lächeln. „Wenn dies tatsächlich seine Absicht war, so ist er nicht übermäßig erfolgreich gewesen, da Sie seine Pläne schließlich durchschaut haben.“
„Ja, das bereitet mir ein Mindestmaß an Genugtuung, aber angesichts dessen, was ich jetzt tun muss, stellt es nur einen schwachen Trost dar.“
Georgiana biss sich auf die Unterlippe, um deren Zittern zu verhindern. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um zusammenzubrechen. Dafür ist noch genug Zeit in den nächsten Wochen, Monaten … Jahren, die vor mir liegen, ermahnte sie sich.
„Der Grund für die Verlobung ist nicht mehr vorhanden. Daher muss ich das einzig Ehrenhafte tun und die Verbindung beenden, da ich mir ganz sicher bin, dass der Viscount es nicht tun wird.“
„Was nahelegt, dass er auch gar nicht den Wunsch hegt, die Verlobung zu lösen, oder etwa nicht?“, fragte die Witwe nicht ganz ungerechtfertigt. „Hätte er Ihnen wohl sonst ganz offiziell die Ehe angetragen?“
„Sie meinen, dass er mich liebt?“ Georgianas Auflachen klang freudlos. „Wenn dem nur so wäre! Aber nicht ein einziges Mal hat er etwas Derartiges bekundet oder auch nur angedeutet, Madam“, offenbarte sie. „Und das wird er auch nicht tun, wenn es nicht der Wahrheit entspricht. Ich fürchte, die Liebe ist ganz und gar einseitig. Immerhin habe ich mein Bestes gegeben, um meine Gefühle vor ihm zu verbergen. Das Letzte, was ich möchte, ist, dass er sich aus Ehrgefühl verpflichtet fühlt, mich zu heiraten.“
Sie stand auf und ging zur Tür. „Ich habe noch viel zu erledigen, wenn ich bis zum Morgen fort sein will.“
„Aber Kind, wohin wollen Sie denn gehen? Wäre es nicht besser, Sie würden mit Lord Fincham über alles reden?“
Georgiana schüttelte unnachgiebig den Kopf. „Meine Mutter besaß genügend Stärke, um auf den Mann, den sie
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