Historical Saison Band 18
Miranda in ihrem Salon auf und ab, hin- und her gerissen zwischen Sorge und Wut. Wo in aller Welt blieb er? Sie waren zum morgendlichen Ausritt verabredet, und er ließ auf sich warten! Zum wiederholten Male warf sie einen Blick auf die Uhr. Zwei Stunden Verspätung und keine Absage. Überhaupt keine Benachrichtigung.
Ungeduldig klopfte sie sich ein paarmal mit der Reitgerte gegen ihre behandschuhte Linke, dann setzte sie ihren Hut ab und warf ihn auf einen Sessel. Anscheinend hatte er gestern Nacht erreicht, was er gewollt hatte, und ging längst wieder fröhlich seiner Wege. Was für eine Närrin sie doch war.
Es klopfte, und einen Moment später stand Fallingbrook in der Tür. „Madam, Mr Tood für Sie. Sind Sie zu sprechen?“
Sie wedelte ungeduldig mit der Hand. „Ja, natürlich.“
Als der Anwalt eintrat, erschrak sie über seine bekümmerte Miene. „Ist etwas mit Mr Morleigh?“, fragte sie angstvoll. „Ist ihm etwas zugestoßen?“
„Nein, das nicht“, antwortete Tood zögernd. „Aber ich wollte mit Ihnen über den Gentleman reden.“
Miranda wappnete sich für das Schlimmste. Tood hatte herausgefunden, dass der Mann ein Herumtreiber und Betrüger war. Dass er eine Ehefrau hatte. Oder dass er mit seinem Erfolg im Schlafgemach von Ludmores Witwe in der ganzen Stadt herumprahlte.
„Heraus damit, Mr Tood. Was ist es, das Sie vor vierzehn Tagen, als Sie ihn zu mir schickten, noch nicht über ihn wussten?“
Wie ein schuldbewusstes Kind senkte der Anwalt den Blick. „Höchstwahrscheinlich wird er in Kürze der nächste Earl of Hadley werden, Ma’am. Er wurde zum Krankenlager des derzeitigen Titelträgers gerufen und konnte Ihnen deshalb nicht persönlich Mitteilung von den Ereignissen machen.“
Ernüchterung machte sich in Miranda breit. „Demnach hat er mich belogen? Er ist doch der Titelerbe? Als ich ihn danach fragte, behauptete er, sein Cousin sei es.“
„Das entspricht den Tatsachen, Ma’am. Aber Captain Morleigh wurde letzte Woche auf dem Schlachtfeld verwundet und wird womöglich nicht überleben, wie seine Eltern gestern Abend erfuhren. Seitdem liegt der Earl darnieder. Er hat ein schwaches Herz.“
„Wie schrecklich!“ Sie war unendlich erleichtert, dass Neville sie nicht belogen hatte. Aber wenn er den Titel erbte, würde er ein begehrter Heiratskandidat sein und sicher eine bessere Partie machen wollen als eine achtundzwanzigjährige Witwe. Zumal wenn er stattdessen jede junge, unberührte Debütantin Londons haben konnte.
„Die Ereignisse zwangen Mr Morleigh, sehr überstürzt aufzubrechen“, fuhr Tood fort. „Er lässt Ihnen sein Bedauern ausrichten und hofft, dass Sie ihm vergeben.“
„Danke, Mr Tood. Ich weiß Ihr Bemühen zu schätzen.“ Niedergeschlagen sah Miranda ihm nach, als er ging. Ihre Hoffnungen lagen in Scherben.
Es würde keine Heirat geben. Nicht mit Neville und auch mit keinem anderen Mann, weil keiner ihr genügen würde. Sie würde keine Kinder haben. Alles, was ihr blieb, war das kleine Vermögen, das der gute alte Ludmore ihr hinterlassen hatte, seine Besitztümer und die Erinnerung an eine berauschende Romanze, die zwei Wochen gedauert und mit einer perfekten leidenschaftlichen Nacht geendet hatte.
„Und ich bereue nichts!“, sagte sie halb laut vor sich hin. „Nein, ich bereue nichts.“
Am dritten Tag seines Aufenthalts am Krankenlager des Earls beschloss Neville, eine Auszeit zu nehmen und zu Miranda zu fahren. Die Vorstellung, dass sowohl sein Cousin wie auch sein Onkel sterben könnten, ging ihm nahe, und er hatte erkannt, dass das Leben zu kurz war, als dass man auch nur einen Tag davon vergeuden durfte.
Miranda verdiente etwas Besseres als einen Wüstling wie ihn, der ihr Sand in die Augen streute. Es war an der Zeit, dass er ihr die Wahrheit sagte und die Folgen auf sich nahm, so hart sie auch sein mochten.
Er hatte Tood gebeten, Miranda sein Ausbleiben zu erklären. Nun wusste sie Bescheid über ihn, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Aber allein die Möglichkeit, dass er den Titel erben könnte, würde sie dazu veranlassen, ihren Heiratsantrag zurückzuziehen. Irgendwie musste er einen Weg finden, ihr klarzumachen, dass sein potenzieller Rang, sein Vermögen und seine anfängliche Unehrlichkeit unbedeutend waren im Vergleich zu der Liebe, die er für sie empfand.
Und daran, dass er sie liebte, konnte kein Zweifel mehr bestehen. Es war keinesfalls nur Begierde! Ihr Glück und Wohlergehen waren ihm dafür viel zu wichtig.
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