Historical Saison Band 19
körperlich und mit einer Leidenschaft, die sich nicht verleugnen ließ. Trotzdem war er ein erwachsener Mann, der seine Begierde beherrschen konnte. Das hatte er soeben bewiesen.
Emilia war keineswegs eine passende Partie für einen Earl, doch nicht eine Sekunde lang war dies für ihn von Bedeutung gewesen. Verstand sie denn nicht, was das bedeutete? Wie nur sollte er diesen ganzen Schlamassel wieder richten? Erschöpft von der Grübelei senkte Hugo seinen Kopf und schlief ein.
Der Morgen graute bereits, als Hugo mit schmerzenden, steifen Gliedern auf der unbequemen Bank erwachte. Angestrengt schaute er in das heruntergebrannte Feuer im Kamin und versuchte, Traum und Wirklichkeit voneinander zu trennen. Inzwischen war es ihm zur Routine geworden, sein Bett in der Schankstube zu richten, und er legte Bettzeug und Matratze bereit, ohne dazu eine Kerze anzuzünden. Anschließend ließ er sich auf die Laken sinken und schloss erneut die Augen.
Sie wird dir nicht glauben, wenn du ihr jetzt sagst, dass du sie liebst.
Völlig wach rollte er sich auf den Rücken und überdachte die Situation, als ginge es darum, einen Plan für eine bevorstehende Schlacht zu schmieden.
Die anderen Offiziere hatten Kameraden, die den Bund der Ehe aus Liebe schlossen, immer mit milder Belustigung und einem Hauch von Verwunderung betrachtet. Hugo konnte sie nun gut verstehen. Sein Glück lag ganz allein in den Händen von Emilia und das, was ihm vorher wichtig erschienen war, wie die Tatsache, dass sie ihren Lebensunterhalt mit dem Bierbrauen verdiente, wurde dadurch völlig belanglos.
Er wusste, dass sie genügend Mut und Klugheit besaß, um die Aufgaben einer Countess zu erfüllen und ihn darin zu unterstützen, sein großes Anwesen zu führen. Gewiss würde sie auch ihre Rolle in der Gesellschaft finden. Sie könnte eine Wohltätigkeitsorganisation leiten, einen politischen Salon, Mäzenin für Künstler werden – tun, was auch immer sie wollte.
Falls sie es wollte. Da lag nämlich der Hase im Pfeffer. Wenn sie ihn nicht wollte, ihn nicht lieben konnte, musste er sie hier zurücklassen, denn er wollte sie glücklich sehen, egal zu welchem Preis.
Hugo drehte sich auf die Seite und knüllte das Kissen zusammen. Irgendwie musste er sie davon überzeugen, dass er ihr aufrichtig zugetan war, dass sie ihm vertrauen konnte, dass sie vielleicht eines Tages seine Liebe erwidern würde.
Aber er hatte sie zutiefst gekränkt. Er hatte ihr Leben, das sie sich trotz aller Widrigkeiten für sich und ihre Söhne aufgebaut hatte, mit Geringschätzung betrachtet und angedeutet, sie lebe unter Umständen, aus denen man sie erretten müsse. Aufstöhnend vergrub er das Gesicht im Kissen, als ihm bewusst wurde, dass er seinem unromantischen Heiratsantrag mit der Andeutung die Krone aufgesetzt hatte, gegenseitiges Begehren genüge, um einer Ehe ihre Berechtigung zu geben.
Wenn er Emilia nun am nächsten Morgen offenbarte, dass er sie wahrhaftig liebte, würde er alles nur noch schlimmer machen, so viel war ihm klar. Vorläufig blieb ihm wohl nichts anderes übrig als abzureisen und nach einem Weg zu suchen, sie zurückzugewinnen.
Als die alte Standuhr fünf Mal schlug, stand Hugo auf. Er wusch und rasierte sich, kleidete sich an und ging schließlich hinaus in den Stall, um Ajax zu versorgen. Danach räumte er sein Bettzeug fort und packte seine Satteltaschen.
Als er die Pistolen und seinen Säbel vom Kaminsims nehmen wollte, fiel ein gefaltetes Papier hinunter. Rasch legte er den Säbel zur Seite und griff danach, um es vor den Flammen zu retten. Es war ein unversiegelter Brief, der an einen Lord Peterscroft, Albany Manor, nähe Bedford adressiert war.
Natürlich hätte er den Brief dorthin zurücklegen sollen, wo er ihn gefunden hatte, aber er vermutete, dass das Schreiben an Emilias Vater gerichtet war. Möglicherweise offenbarte es ihm einen Ausweg aus seiner nahezu aussichtslosen Lage.
Aus dem oberen Stock drangen Geräusche zu ihm herunter. Einen Augenblick lauschte er Emilias Schritten, stellte sich vor, wie sie in ihrem schlichten Flanellnachthemd, das Haar zu dicken, schulterlangen Zöpfen geflochten, durch ihre Kammer ging. Gewiss war ihre weiche Haut noch warm von den Laken und die Kühle des Raumes würde sie ein wenig frösteln lassen.
Hugo entfaltete das Blatt und las den Brief. Emilias Handschrift war ordentlich und sauber. Er gewann den Eindruck, dass sie sich jedes Wort, jeden Satz sorgfältig überlegt hatte, bevor sie die
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