Historical Saison Band 19
Heimweg wurden sie von Nieselregen begleitet. Der schmelzende Schnee hatte den Pfad schlüpfrig gemacht. Joseph beschwerte sich darüber, dass der Schneemann, den sie mit Freunden gebaut hatten, nun weggeschwemmt wurde, und Nathan trug seinerseits zu der düsteren Stimmung bei, indem er darauf hinwies, dass nun der Unterricht beim Vikar wieder beginnen würde.
„Und der Major wird uns verlassen“, jammerte Joseph, dem unvermittelt bewusst wurde, was das Tauwetter für ihren Gast bedeutete.
„Ich bin sicher, nach all dieser Zeit freut er sich schon sehr auf sein Zuhause“, sagte Emilia in dem vertraut fröhlichen Ton. Wie Hugo inzwischen wusste, war es derselbe Tonfall, den sie auch auf einem sinkenden Boot benutzen würde, das sich inmitten eines Flusses voller Krokodile befand, ohne Land in Sicht. Es war ihre „Es gibt keinen Grund zur Sorge“-Stimme.
Auch sie will nicht, dass ich gehe, dachte er.
Als sie beim Haus ankamen, sah er erst mal im Stall nach dem Rechten. Dann ging er in die Schankstube, entzündete ein Feuer im Kamin und stellte den Kessel auf den Herd. Von oben drangen leise Stimmen zu ihm herunter; Emilia brachte die Jungen zu Bett.
Wenig später kam sie wieder nach unten und trat mit zögernden Schritten in die Küche. Sie wirkte unendlich erschöpft.
„Ich habe Tee gekocht.“ Hugo hielt ihr eine Tasse hin. „Komm, setz dich und ruh dich aus.“
„Danke.“ Sie machte es sich in ihrem Lehnstuhl gemütlich und legte beide Hände um die warme Tasse. „Hast du das Fest genossen?“
„Sehr, besonders deinen Gesang.“ Eine solch banale Unterhaltung.
Sag, was du empfindest. Doch die Worte wollten ihm nicht über die Lippen. „Es tut mir leid, dass dir der Abend am Ende verdorben wurde. Macht Bond schon länger Probleme?“
„Nein. Er starrt mich zwar immer an, aber so weit ist er bisher noch nie gegangen. Ich glaube nicht, dass er es je wieder wagen wird.“
Sie verstummte, und blickte grüblerisch in ihre Tasse, als ob sie in den braunen Tiefen des Tees die Zukunft lesen könne.
Plötzlich wusste er, was er tun musste. „Emilia, ich muss mit dir reden.“
„Ja? Es tut mir leid, ich war in Gedanken. Sicher willst du morgen beizeiten frühstücken, damit du aufbrechen kannst, sobald es hell wird.“
„Nein, das wollte ich nicht besprechen.“ Jetzt, da er auf den Punkt kommen musste, wusste Hugo nicht, was er sagen sollte. In solchen Dingen hatte ein Mann gewöhnlich keine Übung, es sei denn, er hatte sehr viel Pech. „Willst du mich heiraten?“
8. KAPITEL
E milia blickte Hugo fassungslos an. Sie musste sich verhört haben. „Hast du mich eben gefragt, ob ich dich …?“
„… heiraten will? Ja.“ Er klang so nüchtern, als bitte er sie, ihm das Salz zu reichen.
„Aber warum?“
Er wirkte erstaunt. Vielleicht war all das ja nur eine Illusion, hervorgerufen durch die unsägliche Müdigkeit, die sie verspürte. Zudem hatte sie mindestens zwei Becher Würzbier getrunken und war noch von der Begegnung mit Bond aufgewühlt. Zweifellos spielte ihre Fantasie ihr einen Streich und sie bildete sich lediglich ein, dass Hugo ihr einen Antrag gemacht hatte. Es konnte nur ein Traum sein. Oder ein Albtraum.
„Warum? Weil du unter völlig unhaltbaren Zuständen lebst. Die Arbeit ist viel zu schwer für dich, die Zukunft ungewiss, die Jungen wachsen schnell heran. Du stammst aus einer vornehmen Familie und wurdest zur Dame erzogen – du solltest nicht hier sein.“
„Verzeih mir, aber was hat das mit dir zu tun, Hugo? Oder sollte ich besser sagen, Mylord?“
„Woher weißt du von meinem Titel?“ Noch während er die Frage stellte, sah sie in seinen klugen, dunkelblauen Augen, wie ihm die Antwort dämmerte. „Ah ja, mein Schnitzer, als wir alle zusammen hier in der Schankstube gesessen haben.“
„Wer bist du wirklich?“ Die Trauer schnürte ihr die Kehle zu. Er war der beste Mann, den sie sich vorstellen konnte und er hatte um ihre Hand angehalten … doch bloß weil eine „Dame“ nicht als Bierbrauerin arbeiten sollte. Ihre Eltern hatten sie verstoßen, weil sie ihnen Schande bereitet hatte. Und in den Augen dieses Mannes war alles, was sie sich daraufhin hart erarbeitet hatte – ihr Geschäft, ihre Unabhängigkeit, ihre Pläne – lediglich eine erniedrigende Lage, aus der er sie als pflichtbewusster Gentleman selbstverständlich retten musste.
„Ich bin Hugo Travers, Earl of Burnham.“
Offenbar reagierte sie nicht so, wie er es erwartet hatte. Jede
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