Historical Weihnachten Band 01: Das Geschenk der heiligen Nacht / Die Winterbraut / Licht der Hoffnung
gelingen, einen de Graves aus Lord Henrys Verlies zu befreien, ohne erkannt zu werden. Seid Ihr willens, die Wachen zu töten?
Zweitens: Nach allem, was ich über Lady Nicolette weiß, würde nicht einmal ihr Vater glauben, sie sei zu einem solchen Unterfangen fähig. Nein, ich bin mir sicher, er würde durchschauen, dass Ihr der Schlüssel zu allem seid.“
Unwillkürlich fühlte sich Joan von seinen Worten geschmeichelt.
„Wenn ich Euch bei mir behalte“, fuhr er fort, „dann habe ich etwas, was ich im Austausch für meinen Bruder anbieten kann.“
„Ich bin aber nicht Lord Henrys geliebte Tochter.“
„Ihr seid eine Verwandte, die seinem Schutz untersteht. Er könnte einen Austausch wohl kaum verweigern.“
Sie wusste, er hatte recht. „Damit rettet Ihr Euren Bruder und Euer kostbares Banner. Aber Nicolette und ich werden ihm schutzlos ausgeliefert sein! Ihr müsst mich versuchen lassen, nach Woldingham zurückzukehren, und zwar jetzt. Ich verspreche, ich bringe Euren Bruder und Nicolette aus der Burg.“
„Das ist unmöglich.“
„Lord Edmund, Ihr seid der starrsinnigste Mann, der mir je begegnet ist.“
„Ihr appelliert ja auch nicht an meine Vernunft, Lady Joan.“
„Weil ich recht habe.“
Wieder beugte er sich vor. „Ich kann nicht das Banner aufs Spiel setzen, das über Generationen von meiner Familie beschützt wurde.“
„Und ich werde nicht das Wohl meiner Cousine aufs Spiel setzen, ohne wenigstens versucht zu haben, etwas zu erreichen.“ Hätte sie nicht so dicht am Feuer gesessen, wäre sie versucht gewesen, ihr Kinn trotzig vorzuschieben. So aber war die Hitze schon jetzt kaum auszuhalten, die von den Flammen ausging.
„Ihr seid meine Geisel, Lady Joan, um meinen Bruder zu retten. Ihr werdet bei mir bleiben. Wenn Ihr beide nicht diesen albernen Rollentausch vorgenommen hättet, wäre jetzt alles genau so, wie es sein sollte.“
„Nein, das wäre es nicht, denn mein Onkel hätte auch dann Euren Bruder in seiner Gewalt. Und hättet Ihr ihm gesagt …“
„Hört auf, wieder auf mich einzudreschen! Ich werde mit einer familiären Katastrophe konfrontiert, die jene Fehde nur noch vertiefen wird, der ich eigentlich ein Ende setzen wollte. Ich habe nichts von dem gewollt, was nun eingetreten ist.“
„Ich wollte auch nicht auf ein Pferd gezerrt, in eine Höhle verschleppt und … und überfallen werden.“
Plötzlich entspannte sich seine Miene ein wenig. „Doch, das wolltet Ihr!“
„Was?“, platzte sie heraus.
„Ihr wolltet überfallen werden. Ihr habt mich sogar angefleht, mehr zu bekommen.“
Sie griff nach einem Stein, riss sich dann aber zusammen.
„Sehr klug“, meinte er mit einem Schmunzeln. Es war eindeutig ein Schmunzeln, daran gab es keinen Zweifel.
Abermals nahm sie den faustgroßen Stein und schleuderte ihn in seine Richtung. Da sie wusste, dass sie ein riskantes Spiel spielte, sollte sie besser auch treffen. Hätte er nicht im letzten Augenblick den Arm hochgerissen, um seinen Kopf zu schützen, wäre es ihr vielleicht gelungen, einen Treffer zu landen, der ihm das Bewusstsein geraubt hätte.
Dann hätte sie die Flucht ergreifen können.
Als der Stein seinen Arm traf, fauchte er vor Schmerz, aber schon im gleichen Moment machte er einen Satz nach vorn.
Zwar befand sich das Feuer zwischen ihnen, doch das schien ihn nicht zu stören. Er griff so schnell nach ihr, dass die Flammen gar nicht erst auf den Stoff seiner Kleidung überspringen konnten. Joan wich nach hinten aus, aber es gab keinen Fluchtweg. Er schlang den Arm um ihre Taille und legte sie übers Knie. Durch drei Lagen Stoff hindurch versetzte ihr jeder Schlag mit seiner flachen Hand einen schmerzhaften Stich, dennoch dankte sie dem Himmel, da der Stoff ihr zumindest ein wenig Schutz bot.
Er hörte viel früher auf, als sie gedacht hatte, und drehte sie so, bis sie vor ihm kniete und ihn ansah.
„Ihr schreit nicht?“, fragte er.
„Weshalb sollte ich?“, erwiderte sie tapfer, obwohl sie jeden seiner Schläge immer noch spürte. „Ihr heult auch nicht auf, obwohl Ihr eine Verletzung davongetragen habt.“
„Ist Euch nicht in den Sinn gekommen“, gab er zurück und schaute sie an, als wolle er ihr noch eine Tracht Prügel verpassen, „wie unklug es ist, den Schwertarm eines Mannes zu verletzen, der Euer Beschützer sein könnte?“
„Ich hatte ja auf Euren Kopf gezielt. Den braucht Ihr vermutlich nicht, um …“ Die Wut, die in seinen Augen aufflammte, ließ sie verstummen.
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