HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
wurde.
„Ja, und dann ist da noch die hübsche kleine Valeda. Ein bisschen verwöhnt, auch wenn man nie geglaubt hätte, der Baron könnte eine so sanfte Seite zeigen, nicht einmal gegenüber einer Tochter. Nun, sie ist aber auch ein reizendes Mädchen, das ganz nach der hübschen Mutter kommt.“
Das restliche Mahl wurde serviert, und Katherine atmete erleichtert auf. Sicherlich würde Sir Rafe das Reden einstellen müssen, um etwas zu essen. Sie wollte nichts weiter von dem hören, was er mit seiner kraftvollen Stimme zu erzählen hatte.
Zu ihrem Bedauern musste sie aber sehr schnell feststellen, dass seine Ausstrahlung den Raum sogar dann erfüllte, wenn er kein Wort sprach – und dass ein voller Mund ihn nicht vom Reden abhalten konnte.
„Wo sind Eure Schülerinnen?“, wollte er wissen, als er ein Bein von einem Hühnchen abriss. „Essen sie nicht hier im Saal?“
„Woher wisst Ihr von meinen Schülerinnen?“, fragte sie argwöhnisch.
„Giles hat es mir erzählt.“
„Aha.“ Sie würde Giles daran erinnern müssen, in der Gegenwart von Fremden seine Zunge im Zaum zu halten. „Sie sind alle über Weihnachten bei ihren Familien.“
„Dann habt Ihr mehr Platz für Eure Gäste“, erklärte er, rülpste laut und sah sich im Saal um. „Und auch mehr Zeit, um diesen Raum zu schmücken. Ein wenig Stechpalmen und Efeu dürften schon viel ausmachen.“
Katherine rümpfte die Nase angesichts seines unflätigen Benehmens und sagte sich, dass es ihr egal war, was er von ihrem Saal hielt. „Ich erwarte zu Weihnachten keine Gäste, abgesehen vom Priester, der in der Kapelle eine Messe feiern wird.“
Rafe, der einen Schluck Wein hatte trinken wollen, hielt mitten in der Bewegung inne und sah sie ungläubig an. „Wieso nicht?“, fragte er, als sei es sein gutes Recht, eine Antwort zu bekommen.
Am ganzen Leib spannte sie sich an und konzentrierte sich darauf, ihm zu sagen, dass ihre persönlichen Angelegenheiten ihn nichts angingen, doch dann trafen sich ihre Blicke.
Es war schon lange her, dass jemand ihr etwas anderes als höchsten Respekt entgegengebracht hatte, so als sei sie eigentlich kein wirklicher Mensch, sondern eher ein übernatürliches Wesen. Allerdings hatte sie auch danach gestrebt, diese Wirkung zu erzielen.
Doch Rafe Bractons braune Augen sahen sie an, als könne er tatsächlich nicht verstehen, warum sie die Weihnachtszeit ohne ihre Familie oder andere Gäste in ihrem Haus verbrachte. Ihr Herz begann zu rasen, und sie spürte, wie ihre Wangen erröteten. Mit einem Mal fühlte sie sich wie eine schüchterne Jungfrau, die ihre erste intime Unterhaltung mit einem Mann führte, der nicht zu ihrer Familie gehörte.
Plötzlich schienen sich all die Augenblicke der Einsamkeit, die sie immer dann verspürte, wenn die Menschen ihr mit Ehrfurcht begegneten, auf ihren Schultern aufzutürmen und sie zu Boden zu drücken.
Warum sagst du ihm nicht die Wahrheit?, drängte ihr Herz. Er würde ohnehin nicht bleiben, was konnte es da schon schaden, wenn sie eine persönliche Kleinigkeit über sich enthüllte?
2. KAPITEL
„Von meiner Familie lebt niemand mehr“, erwiderte Katherine.
„Gar niemand mehr?“, wollte Rafe wissen. „Kein entfernter Verwandter, der zur Weihnachtszeit Eure wohltuende Gastfreundschaft in Anspruch nehmen möchte?“
„Nein.“
„Dann geht es Euch so wie mir“, gestand ihr Rafe unerwartet. „Das erspart einem viel Ärger, nicht wahr?“
Offenbar ließ sich Sir Rafes Neugier nicht von beharrlichem Schweigen dämpfen, sodass Katherine längst bedauerte, ihm diese geringfügige Einzelheit über sich anvertraut zu haben, da er gleich darauf weitere Fragen stellte. „Sicherlich habt Ihr Freunde, die …“
„Ich habe zu Weihnachten keine Gäste. Ich begehe dieses Fest nicht mit maßloser Vergeudung. Es gibt etwas Erlesenes zu essen, und das genügt auch.“
Verwundert legte Rafe die Stirn in Falten. „War denn das kein Weihnachtsscheit, das ich ein Stück entfernt am Wegesrand gesehen habe?“, fragte er.
„Nein. Ein Baum ist vor einigen Monaten umgestürzt und hat den Weg blockiert. Er wird zu Brennholz zerkleinert werden, wenn wir es benötigen.“
„Nun, ich feiere die Weihnacht auch nicht in zügelloser Verschwendung“, redete er unbeirrt weiter. „Aber das liegt daran, dass ich nichts besitze, was ich verschwenden könnte. Allerdings macht es mir nichts aus, das Wenige, das ich habe, mit den Menschen zu teilen, mit denen ich diese festliche Zeit des
Weitere Kostenlose Bücher