HISTORICAL WEIHNACHTEN Band 01
durch sein sandblondes Haar. „Ich möchte auch irgendwann einmal ein Ritter sein.“
„Egbert!“, ermahnte der Vater ihn, während er begann, das Gepäck abzunehmen.
„Träume zu haben, ist eine gute Sache“, sagte Rafe zu ihm, als Egbert zu seinem Vater eilte, um ihm zu helfen.
Rafe zog einen Strohhalm aus einem Futtertrog und begann auf einem Ende zu kauen, wobei er sich gegen einen der Pfosten lehnte. „Ich glaube mich daran erinnern zu können, dass ich seinerzeit von Lady Katherines Heirat gehört habe“, behauptete er. In Wahrheit war sie ihm völlig fremd, doch er wollte mehr über seine Gönnerin erfahren, die er erst dazu hatte überreden müssen, ihm ein Dach über dem Kopf zu geben. „Sie war damals noch recht jung, wenn ich mich nicht irre.“
„Sechzehn war sie, und eine wahre Schönheit.“
„Sie ist aber jetzt auch nicht gerade hässlich.“ Er meinte es so, wie er es sagte. Trotz ihrer kühlen Miene war ihr Teint makellos, und ihre feindseligen blauen Augen waren groß und leuchtend. Ihr Mund … nun, wenn sie aufhören würde, ständig missbilligend die Lippen aufeinanderzupressen, dann wären sie es sicher wert, geküsst zu werden.
Als der Pferdeknecht und sein Sohn begannen, Cassius trocken zu reiben, erinnerte sich Rafe daran, dass sie keinen Ehering trug. „Und dann die Sache mit ihrem Mann …“
„Ich habe gehört, er war ein richtiger Vielfraß …“, begann Egbert voller Eifer, doch ein warnender Blick seines Vaters ließ ihn rot anlaufen und verstummen.
Dann war sie also wirklich eine Witwe. „Soweit ich mich erinnere, war er nicht der netteste Mann, den man sich vorstellen kann.“
Seine scheinbare Bekanntschaft mit dem mittlerweile verstorbenen Lord führte zum erwarteten Ergebnis, da Giles abfällig schnaubte. „So kann man es auch ausdrücken.“
Da er begierig war, noch mehr zu erfahren, wählte Rafe einen neuen Weg. „Wie ich sehe, hat er gut für sie vorgesorgt.“
Der Pferdeknecht warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Sie hatte nicht einen Penny Bargeld.“
„Dann versteht sie es hervorragend, das Anwesen zu verwalten.“
„Anwesen?“, wiederholte der Pferdeknecht und musste unwillkürlich lachen. „Es gibt kein Anwesen außer dem, was Ihr da draußen sehen könnt. Ihr ganzer Besitz ist das, was sich innerhalb dieser Mauern befindet.“
Rafe warf den Strohhalm zur Seite. „Aber all das hier ist nicht im Verfall begriffen, sondern in einem hervorragenden Zustand.“
„Sie wird gut für das bezahlt, was sie macht, weil sie darin die Beste ist“, erwiderte Giles.
„Ist sie eine Hure?“, fragte Rafe. Die Vorstellung war im ersten Moment erschreckend, doch sie war keineswegs unattraktiv, und es hätte ihn nicht gewundert, wenn sich unter dem schwarzen Mantel ein wohlgeformter Körper verbergen würde.
„Gott behüte, nein!“, rief der Pferdeknecht und drehte sich abrupt zu Rafe um, den er mit einer Mischung aus Entrüstung und Unglauben anstarrte. „Ihr solltet für eine solche Frage bestraft werden!“
„Aber, guter Mann, was kann eine Frau sonst machen? Sie sieht nicht aus wie eine Schankwirtin oder ein Kindermädchen.“
„Ein Kindermädchen trifft es schon besser, wenn Ihr die gleiche Bezeichnung für den Mann benutzen würdet, der Euch zum Ritter ausbildete“, sagte Giles. „Sie bringt jungen Ladies die Pflichten und Fertigkeiten bei, die von ihnen erwartet werden, wenn sie heiraten.“
„Und dafür wird sie bezahlt?“
„Aye, und sogar sehr gut“, erklärte der Pferdeknecht und widmete sich wieder seiner Aufgabe. „Ihr solltet sehen, wie die Adligen im Frühjahr Schlange stehen. Gut die Hälfte von ihnen kommt mit ihren Töchtern her, nur um gleich wieder weggeschickt zu werden. Sie nimmt nur zwanzig Ladies an.“
Rafe wurde bewusst, dass dies den geräumigen Stall erklärte. „Dann ist dies also doch eine Art Kloster. Kein Wunder, dass sie keinen gut aussehenden, zeugungskräftigen Mann wie mich an diesem Ort wissen wollte.“
Egbert, der für Cassius den Trog auffüllte, versuchte angesichts der selbstironischen Worte des Ritters ein Kichern zu unterdrücken, und sogar der Pferdeknecht prustete leise. „Nun, Ihr seht gewiss besser aus als viele andere Männer, die wir hier gesehen haben“, meinte er. „Bei manchen von ihnen könnte man das Gesicht gar nicht noch weiter verunstalten, selbst wenn man mit einer Axt ans Werk gehen würde.“
„Ich fühle mich geschmeichelt.“
Giles war mit dem Striegeln des
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