Historical Weihnachten Band 04: Zeit der Hoffnung, Zeit der Liebe? / Mein Engel der Weihnacht / Ein Weihnachtsmärchen in London
sie wie ein Dolchstich mitten ins Herz. „Danke“, brachte sie mühsam hervor. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren brauchte sie vielleicht noch nicht ganz die Hoffnung auf einen Gatten aufzugeben, doch ihr war klar, dass sie ihr Dasein als eine alte Jungfer fristen würde.
Gelächter auf der Straße vor der Buchhandlung zog Addies Aufmerksamkeit auf sich.
Durch das Fenster konnte sie die Kutschen sehen, die vorüberratterten. Die vielen Fußgänger hatten sich mit dicken Mänteln, Mützen und Schals gegen die Kälte und den heftigen Wind vermummt. Gedämpfte Stimmen, das Klappern der Pferdehufe, das Knarren der Wagenräder und sogar der entfernte Gesang der Weihnachtssänger drangen bis zu ihnen in die wundervoll warme Buchhandlung. Ein zufrieden lächelndes Paar ging am Fenster vorbei, die Arme voller Geschenke. Heftiger Neid durchfuhr Addie. Wie wunderschön musste es sein, den Menschen, den man liebte, für sich gewinnen zu können.
„Vorbereitungen für eine Hochzeit“, sagte Claire leise. „Wie romantisch. Vielleicht erlebt ihr beide diese Weihnachten ja auch eine Liebesgeschichte.“
„Um den lieben Scrooge zu zitieren: Bah, Humbug!“, meinte Fiona spöttisch. „Ich bin vielmehr ganz erschöpft davon, jedes Jahr um diese Zeit eine Fröhlichkeit zu heucheln, die ich einfach nicht empfinde.“
„Dir scheint aber der tiefere Sinn von Dickens’ Geschichte zu entgehen“, gab Claire zu bedenken. „Unter all dem ‚bah, Humbug‘ geht es in der Weihnachtsgeschichte doch vor allem um Hoffnung und Liebe, Buße und Wiedergutmachung. Lasst uns nicht vergessen, dass Liebe Wunder bewirken kann.“
„Unsinn“, meinte Fiona auf ihre unverblümte Art. „Was glaubst du, Addie?“
„Wunder sind möglich“, meinte diese zögernd. Doch ihr Gewissen versetzte ihr einen Stich, denn in Wirklichkeit glaubte sie selbst nicht, was sie sagte. Die Erfahrung hatte ihr vielmehr gezeigt, dass Liebe statt eines Wunders Unmengen von Leid verursachte. Addie sehnte das Ende der Weihnachtstage herbei, damit sie nach Paris fahren und den bevorstehenden Hochzeitsplänen entfliehen konnte. Sie ertrug es einfach nicht länger, gefangen zu sein zwischen ihrer Liebe für ihre Schwester und ihrer hoffnungslosen, unerwiderten Leidenschaft für Sebastian.
2. KAPITEL
Kendall Manor, Buntingford, Heiligabend
Sebastian Hartley, Viscount Channing, ging den langen Korridor hinunter, der zum Ballsaal von Kendall Manor führte. Die anerkanntermaßen schönste Frau von ganz England hatte ihm die zarte, behandschuhte Hand auf den Arm gelegt. Sebastian betrachtete die zierliche Gestalt und wusste, dass er sich den Neid jedes einzelnen Mannes im Ballsaal zuziehen würde, sobald er mit Lady Grace Kendall an seiner Seite über die Schwelle trat.
Sie sah lächelnd zu ihm auf. Kleine entzückende Grübchen erschienen in ihren Wangen. Sebastian war oft Zeuge gewesen, wie deren Anblick so manchen sonst völlig vernünftigen Mann in einen liebestrunkenen Narren verwandelt hatte.
„Es ist schön, dich zu sehen, Sebastian“, sagte sie und drückte leicht seinen Arm. „Du hast uns gefehlt.“
Er erwiderte ihr Lächeln. „Du hast mir auch gefehlt, Schätzchen.“
Das Kosewort vertiefte noch ihr Lächeln. Sebastian hatte sie schon bald nach ihrer Geburt so genannt, als er selbst bereits das reife Alter von sechs erreicht hatte.
Seitdem hatte er sie von einem süßen, gutmütigen Kind zu einer liebreizenden jungen Frau heranwachsen sehen, die trotz ihrer Schönheit freundlich und liebevoll geblieben war. Heute trug sie ein elegantes türkisfarbenes Kleid aus Satin und Spitze, das ihre Augen, das blonde Haar und die zarte Haut wundervoll zur Geltung brachte.
Grace war der Inbegriff von Schönheit, Charme und Eleganz. Sie an seiner Seite zu haben … er war wirklich zu beneiden, wie er selbst fand.
Die melodischen Klänge eines Walzers drangen bis zu ihnen durch und nahmen an Lautstärke zu, je näher sie dem Ballsaal kamen. Schließlich erreichten sie den breiten Türbogen zum Ballsaal. Er erinnerte an eine wunderschöne Winterlandschaft im glühenden Schein der vielen hundert Kerzen, der die Kristalllüster über ihnen zum Glitzern brachte. Die Wände und der Kaminsims waren mit duftenden Tannenzweigen und Kiefernzapfen geschmückt. Dazwischen sorgten Orangen, Beeren und Granatäpfel für bunte Farbtupfer. Der lange Buffettisch, an dem die Gäste sich an Glühwein, Nüssen, Pralinen, Obst oder Gebäck gütlich tun konnten, war mit Girlanden aus
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