Historical Weihnachten Band 6
lassen. Er war ohnehin nie besonders gesellig gewesen. In seinem Leben hatte sich stets alles darum gedreht, hart zu arbeiten und Opfer zu bringen, Kriege zu führen und dem König dabei zu helfen, die Schatzkammer zu füllen. Die Reise nach Domhnaill war für ihn nichts weiter gewesen als die Gelegenheit, eine vermögende Braut zu finden, die ihm noch mehr Ländereien und Bündnisse einbringen würde.
Bis gestern.
Denn Lady Helene MacKail war keine Frau, die man so leicht vergaß. Er hatte vorgehabt, mit ihr zu spielen, damit sie erkannte, war für ein Fehler es war, ihn zurückzuweisen. Dann hatte er sich eine Braut wählen wollen, die fügsamer war und ihn weniger fürchtete. Ganz sicher hatte es nicht in seiner Absicht gelegen, Helene anzulügen, heimlich in dunklen Ecken sinnliche Spielchen mit ihr zu spielen und sie dann zu heiraten. Ohne Zweifel hasste sie ihn jetzt mehr als je zuvor.
Aber sein sorgfältig vorbereiteter Plan war nicht aufgegangen. Die Art, wie sie ihm vertraut hatte, war sowohl überraschend als auch sehr angenehm gewesen. Er hatte sogar eine Ahnung davon erhalten, wie er vielleicht die schlechte Meinung, die sie von ihm hatte, ändern konnte. Mit einer solchen Verführerin in seinem Bett stünde ihm wahrhaft eine aufregende Zukunft bevor. Trotz dieses Gedankens war ihm in der vergangenen Nacht bereits klar geworden, dass er ihr Vertrauen nicht noch mehr hatte untergraben dürfen, indem er weiterhin vorgab, jemand anders zu sein. Er wollte nicht, dass sie sich einem geheimnisvollen Fremden in einem staubigen Brauhaus hingab.
Helene sollte sich ihm hingeben, ihm und niemandem sonst, nicht einmal ihm selbst in Verkleidung.
Also reichte er die Zügel seines besten Pferdes jetzt einem Stallburschen im Hof und ging auf die Burg zu, um seine Braut einzufordern. Er hatte ihren Vater aus seinem Schlummer geweckt, um ihm einzugestehen, welche Freiheiten er sich mit dessen Tochter erlaubt hatte, und um sofort um ihre Hand zu bitten. Dem Anführer des MacKail-Clans war diese Eile zwar keineswegs recht gewesen, aber sie waren sich schließlich einig geworden, heute Morgen in einem Handfasting einen Bund nach keltischer Tradition zu schließen und die formelle kirchliche Zeremonie im Frühling zu begehen. Nun musste er nur noch seine Braut holen.
Doch die Dame, die in der Halle auf ihn wartete, war nicht Helene, sondern die Gastgeberin, Lady Cristiana of Domhnaill, die berühmte Metbrauerin der Burg. Ein Stirnrunzeln zeigte sich auf ihren bezaubernden Zügen, und der safranfarbene Schleier rutschte ihr fast von den rotbraunen Locken, als sie ihm entgegeneilte.
„Mein Laird“, begrüßte sie ihn und nickte ihm förmlich zu, bevor sie ihm eine zarte Hand auf den Arm legte. „Müsst Ihr uns wirklich schon verlassen? All die Feierlichkeiten der letzten Tage sollen doch heute, in der zwölften Raunacht, erst ihren Höhepunkt finden!“
Die Lady führte die Burg sehr umsichtig, seit ihr Vater dafür zu alt und schwach geworden war und sich immer mehr auf ihre Hilfe verlassen musste. Obwohl sie sich mit Politik und der Verwaltung der Ländereien auseinandersetzen musste, war sie stets eine sorgfältige Burgherrin. Für jemanden, der Wohlstand und Ländereien anstrebte, wäre sie eine ideale Ehefrau gewesen. Doch sie sprach ihn einfach nicht auf diese unerklärliche Weise an, auf die Helene ihn von Anfang an fasziniert hatte. Léod wusste, er wollte keine andere zur Braut.
„Ich bedaure es, Eure Gesellschaft so schnell wieder verlassen zu müssen, schöne Lady.“ Er ergriff ihre Hand und neigte sich kurz darüber. „Aber ich möchte meine neue Ehefrau so schnell wie möglich in ihre künftige Heimat bringen.“
In diesem Moment spürte er Helenes Gegenwart im Gang vor der Großen Halle. Auch wenn sie keinen Laut von sich gab, nahm er doch ihre Nähe wahr, fühlte sie in seinem Blut. Er drehte sich zur Treppe um, die von der Galerie herunterführte. Dort stand sie, an der Seite ihres Vaters. Ihre Augen waren trocken, aber leicht gerötet, als hätte sie vor Kurzem noch Tränen vergossen. Helenes Mutter hielt sich im Hintergrund, ihr Gesicht war blass, und eine Hand lag wie zur Stütze auf der Schulter ihrer Tochter.
Für einen Augenblick sah er wieder seine erste Frau vor seinem geistigen Auge, wie sie sich gewehrt hatte. Die schmerzhafte Erinnerung, dass er schon einmal als Ehemann für unzureichend befunden worden war, drohte den heutigen Tag zu überschatten. Er biss die Zähne zusammen und
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