Historical Weihnachtsband 1990
tanzen sehen, und er schien auch nicht der Typ von Mann, der gern tanzte. Doch als er sie auf die Tanzfläche führte, entdeckte sie, daß er sich gut bewegte.
Noch viel wichtiger fand sie allerdings, daß er den Arm um ihre Taille legte und ihr in die Augen schaute, während sie sich gemeinsam drehten. Sie tanzten so eng, daß ihre Umarmung beinah anstößig wirkte. Melinda spürte Daniels Wärme und sah den Puls an seinem Hals. Sein Blick war leidenschaftlich und suchend, und sie hatte das Gefühl, dahinzuschmelzen. Melinda liebte Daniel und konnte es nicht verhindern, daß Hoffnung in ihr aufstieg. Denn vertraulich nannte er sie an diesem Abend beim Vornamen.
Melinda war nicht traurig, als der Ball endete. Sie freute sich auf die Heimfahrt. Lee, der den ganzen Abend über herumgelaufen war, Süßigkeiten in sich hineingefuttert und mit anderen Kindern gespielt hatte, war erschöpft. Nachdem er hinter Melinda und Daniel auf den Sitz des Buggy geklettert und mit einer warmen Decke zugedeckt war, fiel er auch schon in einen festen Schlaf.
Die kalte Nacht war so klar, wie sie es nur im Panhandle sein konnte. Der Himmel war pechschwarz bis auf eine blasse Mondsichel und das weitentfernte Licht der Sterne.
Melinda kuschelte sich unter die Decke auf ihrem Schoß und betrachtete den Nachthimmel entzückt. Ein- oder zweimal schaute Daniel zu ihr herüber, und ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. Sie sah die Schönheit in diesem wilden, weiten Land. Vielleicht haßte sie es doch nicht so sehr, wie sie gesagt hatte.
Als sie auf der Ranch eintrafen, hielt Daniel die Pferde vor Melindas Haus an und sprang von dem Buggy, um Melinda herunterzuhelfen. Beide schauten sie zum Rücksitz, auf dem Lee in tiefem Schlummer ausgestreckt lag. Nur ungern wollte Melinda ihn wecken, doch er war schon viel zu groß, als daß sie ihn hätte tragen können. So beugte sie sich vor, um ihn wachzurütteln, aber Daniel hinderte sie daran. Er machte eine Kopfbewegung zum Haus hin. „Bitte laß ihn schlafen, Melinda. Kümmere dich um die Tür."
Er nahm Lee mitsamt der Decke in die Arme und trug ihn auf die Veranda. Melinda brauchte einen Augenblick, bis sie erfaßt hatte, was er tat. Dann stürmte sie zur Haustür und öffnete sie ihm.
Rasch ging sie in Lees winziges Schlafzimmer voran und deckte das Bett auf. Daniel legte den Jungen hinein und bückte sich, um ihm die Stiefel auszuziehen. Schließlich deckte er Lee zu und schaute noch einen Moment auf ihn herab. Melinda beobachtete ihn und erkannte in seinem Mienenspiel Schmerz und Freude, die auf eigenartige Weise miteinander vermischt waren.
Schließlich wandte sich Daniel ab und verließ das Zimmer. Melinda folgte ihm und schloß die Tür hinter sich. Vor Mitleid und Bedauern hatte sie einen Kloß im Hals, aber sie wußte nicht, wie sie den Empfindungen Ausdruck verleihen könnte. Daniel war kein Mensch, der Mitgefühl willkommen hieß. So legte sie ihm nur eine Hand auf den Arm, und er schaute sie an und lächelte.
„Möchten Sie eine Tasse Kaffee?" fragte sie ihn, indem sie die Spange an ihrem Umhang öffnete. „Oder ich könnte uns einen Kakao kochen."
Daniel nahm ihr den Umhang von den Schultern. Dabei berührte er ihre bloße Haut.
„Ich möchte jetzt nichts zu trinken", antwortete er leise, während er den Umhang vorsichtig über einen Stuhl legte. Dann nahm er Melindas Gesicht in beide Hände und blickte ihr tief in die Augen. „Du hast heute abend wunderschön ausgesehen.
Habe ich dir das gesagt?"
Schweigend nickte Melinda.
„Selten sage ich dir das, nicht wahr?" gestand er und ließ die Finger zu ihren Schultern wandern. „Das ist einer meiner vielen Fehler. Ich bin zu grob, zu ungehobelt, und gute Umgangsformen fehlen mir."
„Das habe ich nicht gesagt." Melindas Stimme klang ein wenig atemlos.
„O doch, das hast du. Oft, wenn auch vielleicht nicht heute abend." Er schwieg einen Augenblick. „Du bist schön", fuhr er dann fort. „Ich habe dich den ganzen Abend über beobachtet, beim Tanzen, Reden, Lachen. Und ich habe dich so sehr begehrt, daß ich kaum noch wußte, wo ich bin." Dabei ließ er die Fingerspitzen über die weiche, weiße Haut ihrer Schultern bis zum Brustansatz gleiten, der durch den tiefen Ausschnitt entblößt war. „Du bist so wunderbar."
Dann beugte er sich hinab und berührte die Haut zart mit den Lippen. Melinda atmete scharf ein, teils aus Überraschung und teils vor schierer Lust. „Daniel. . ."
Er zog eine Spur aus
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