Historical Weihnachtsband 1990
um die ganze Wirkung zu erhaschen.
Fast das gesamte Überkleid aus Spitze hatte sie entfernt. Nur ein paar Reihen davon hatte sie um den Saum des Satinkleids herum befestigt. Dann hatte sie das Kleid in ein zartes Altrosa gefärbt, das an ihren Augen und ihrer Haut Wunder zu vollbringen schien. Sie hatte den Rock eingehalten, so daß das Kleid eine neue, schlankere Gesamtlinie erhielt, hatte die Spitzenärmel und den Einsatz am Hals herausgetrennt, um ein modisches Dekollete zu erhalten.
Das Kleid betonte ihre weißen Schultern und den schlanken Hals vorteilhaft, doch obwohl es nicht gewagter war als die Bilder in den Modebüchern für Frauen, hatte sich Melinda einen kleinen Spitzenumhang dazu genäht. Das Ergebnis all dieser Arbeit war ein einfaches, aber wirkungsvolles Kleid. Wenn sie nun noch das Haar kunstvoll hochsteckte und mit ein paar hellen Satinrosetten schmückte, sah sie so gut aus, wie es nur ging, das wußte Melinda.
Sie fand es höchst enttäuschend, daß Daniel sie in dem Kleid gar nicht sehen würde.
Alle Leute hatte ihr versichert, daß er niemals an dem Weihnachtsball teilnahm.
Am nächsten Morgen jedoch, als sie gerade an der Spüle stand und Geschirr abwusch, kam Daniel in die Küche und fragte unvermittelt: „Sie besuchen diesen albernen Weihnachtsball in Barrett?"
Melinda drehte sich um und hob die Brauen. „Ja."
„Das habe ich mir gedacht. Nun, da ich auch hingehe, können Sie genausogut bei mir mitfahren", meinte er schroff.
Verdutzt schaute Melinda ihn an. Sie hatte wohl kaum jemals eine weniger höfliche Einladung erhalten, aber ihr fiel auch keine ein, die sie lieber angenommen hätte.
Doch durfte sie nicht nur an sich selbst denken. „Lee kommt mit mir."
„Dann bringen Sie den Jungen eben mit", erwiderte Daniel knapp.
Nun starrte Melinda ihn nur noch fassungslos an. „Nun gut, in Ordnung dann", brachte sie schließlich hervor.
„Seien Sie pünktlich um sieben Uhr bereit zur Abfahrt."
7. KAPITEL
Am Abend des Weihnachtsballs bereitete Melinda ein frühes, leichtes Abendessen zu. Da sämtliche Ranchbewohner an dem Fest teilnahmen, hatten sie es alle eilig, zu essen und fertig zu werden. Zum erstenmal, seit sie im MacKenzie-Haus arbeitete, weichte Melinda das Geschirr nur ein und hastete zu ihrem Haus hinüber. Sie hatte nicht viel Zeit.
Da sie das wußte, hatte sie bereits am Nachmittag gebadet, das Haar gewaschen und es am Ofen trockengebürstet. Nun ließ sie es herab, bürstete es erneut und türmte es zu einer volleren, eleganten Frisur auf. An einer Seite befestigte sie ein Büschel Rosenknospen aus Satin, die sie in der Farbe ihres Kleids gefärbt hatte. Dann zog sie sich so rasch wie möglich an.
Pünktlich um sieben klopfte Daniel MacKenzie an, und Melinda stürzte zur Tür. Es war töricht, so aufgeregt zu sein, das wußte sie. Doch sie konnte nicht anders. Sie legte sich den Spitzenumhang um die Schultern, hielt ihn über dem Busen zusammen und öffnete die Tür.
Draußen stand Daniel. Er wirkte förmlich und unruhig und sah in seinem dunklen Anzug mit einem strahlendweißen Hemd darunter und einer schmalen schwarzen Halsbinde umwerfend gut aus. Seine Stiefel waren auf Hochglanz poliert, und der schwarze Westernhut in seiner Hand schien noch nie zuvor aus der Schachtel genommen worden zu sein.
Daniel ließ den Blick über Melindas Gestalt gleiten. Er nahm den Anblick der bloßen Schultern und des verlockenden Brustansatzes unter der hauchzarten Umhüllung in sich auf.
„Sie sind wunderschön", sagte er das erste, das ihm in den Sinn kam. Ganz leicht bebte dabei seine Stimme.
„Vielen Dank. Sie sehen selbst gut aus", entgegnete Melinda. Sie fühlte sich, als sprudelte sie über vor Aufregung und Glück. „Kommen Sie für einen Moment herein", lud sie ihn ein und trat zurück. „Lee, es ist Zeit zum Gehen", rief sie dabei.
„Ich komme, Mama", antwortete ihr Sohn.
Melinda griff nach dem Mantel an dem Haken neben der Tür. Zu diesem Kleid paßte der Mantel überhaupt nicht. Er mußte die ganze Wirkung zerstören. Aber sie hatte nur diesen einen, und irgend etwas mußte sie anziehen, wenn sie während der langen Fahrt in die Stadt nicht frieren wollte.
Da hob Daniel eine Hand, um sie zu bremsen. Überrascht blickte Melinda ihn an.
„Nein, warten Sie. Mir ist gerade eingefallen, daß ich noch etwas aus dem Haus holen muß. Ich bin gleich wieder zurück."
Neugierig sah sie ihm nach, als er den Hof überquerte. Lee gesellte sich am Fenster zu ihr.
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