Historical Weihnachtsband 1992
Equipage sich in Bewegung.
„Dessen bin ich sicher", verkündete Lord Haverbrook großspurig und machte es sich in der Karosse bequem. „Meiner Meinung nach hattest du hier andere Dinge im Kopf, vielleicht sogar Miss Duncan?"
„Ich habe sie kaum gesehen, wenn ich mich in Schottland aufhielt", entgegnete Lord Lindsay.
„Bestimmt nicht, weil du es so wolltest." Lord Haverbrook grinste. „Nicht, daß ich dir einen Vorwurf daraus mache, falls du dich um sie bemüht hast." Die junge Dame besitzt ansehnliche Güter. Stell dir vor, welch fabelhaftes Jagdgelände das sein könnte! Wäre ich ungebunden, würde ich ihr den Hof machen. Da kommt mir ein Gedanke! Einer meiner Brüder hat einen Sohn im passenden Alter. Vielleicht sollte ich ihn zu einem Besuch in den Highlands bewegen?"
„Spar dir Geld und Mühe, Harry! Ich habe ganz den Eindruck, daß Miss Duncan an uns Engländern kein Interesse zeigt", stellte Lord Lindsay sehr entschieden fest und stützte ein Bein auf den gegenüberliegenden Sitz.
„Du darfst nicht lockerlassen, Cameron. Schließlich ist es nicht der Fuchs, der die Meute auffordert, ihn zu verfolgen. Die meisten Damen gestehen dir einen gewissen Charme zu. Also laß den Kopf nicht hängen und gibt nicht so schnell auf.
Gewiß wird Miss Duncan schließlich deiner Ausstrahlung erliegen, wenn du nur genug Ausdauer aufbringst. Immerhin hast auch du schottisches Blut in den Adern.
Damit hast du eine bessere Chance, die schöne Miss Duncan und samt ihrem Besitz zu erobern."
„Vielleicht hast du recht", murmelte der Earl of Lindsay nachdenklich. „Vielleicht habe ich mich tatsächlich nicht deutlich genug um sie bemüht." Er war so in Grübeleien versunken, daß er die letzte Bemerkung des Freundes kaum beachtete.
„Genau das versuche ich ja, dir klarzumachen." Lord Haverbrook lachte. Nach dem unheildrohenden Ausdruck in Camerons Gesicht zu schließen, wurde die Sache ernst. Wenn man bedachte, daß die Adeligen der Umgebung sich anstrengen würden, dem räuberischen Weihnachtsengel auf die Spur zu kommen und Cameron um Miss Duncan werben könnte, mochte das Christfest in Glenmuir doch nicht ganz so langweilig werden.
2. KAPITEL
Am folgenden Morgen entfaltete Blair Duncan in der geräumigen Küche von Duncan House rege Geschäftigkeit. Das Klappern der Topfdeckel hallte lauter als gewöhnlich, denn Blair war mutterseelenallein in dem einst so prächtigen Herrenhaus, das vor vielen Generationen von ihrer Familie erbaut worden war. Aber vielleicht war es noch etwas anderes als die Einsamkeit, die schlaflos verbrachte Nacht, die Blair so rastlos machte. Mit dem Zucker aus MacGregors Laden bereitete sie Marmelade aus überreifen Orangen, die ein früherer Nachbar geschickt hatte, der nun als Matrose auf einem Frachter sein Leben fristete.
Sie wusch die Früchte, legte sie zum Trocknen hin und zuckte zusammen, als die Schalen schon bei der Berührung platzten. Der Himmel mochte wissen, wie lange die Kiste unterwegs gewesen war, bevor sie das abgelegene Hochlanddorf erreichte.
Trotzdem würde die Mar Tielade eine köstliche Beigabe in den Weihnachtskörben sein, und einige Schalen ließen sich vielleicht kandieren. Die Kinder würden von den Süßigkeiten begeistert sein.
Schließlich strich Blair sich eine rotbraune Locke aus dem Gesicht und goß sich eine Tasse Tee ein. Der alte Robbie und Mrs. Brown, die Haushälterin, würden bald von Besorgungen in Glenmuir zurückkehren. Blair seufzte. Es gab einmal eine Zeit, als zahlreiche Dienstboten mitgeholfen hatten, die Weihnachtskörbe auszurichten. Nun waren nur die beiden Getreuen da, die aus reiner Anhänglichkeit blieben, obgleich ihr
Lohn kaum der Rede wert war. Da Blair ohne Mrs. Browns Hilfe nicht weiterarbeiten konnte, blieb Zeit für ein verspätetes Frühstück. Zu jeder Stunde des Tages stand genügend Porridge in einem Topf auf dem riesigen gußeisernen Herd.
Mit energischem Schwung stellte Blair die spärliche Mahlzeit auf den abgeschabten Küchentisch. Blair aß kaum noch in dem großen Speisezimmer, nur hin und wieder, wenn Mrs. Brown darauf bestand, weil ein Gast anwesend war. Im allgemeinen zog Blair die Unterhaltung mit ihren beiden Getreuen der Einsamkeit vor, zu der sie sonst verurteilt gewesen wäre. Sie setzte sich, führte mechanisch den Löffel zum Mund und fragte sich, warum sie innerlich so unruhig war. Vorsichtig nippte sie am heißen Tee und gestand sich ein, was die Ursache für die Verunsicherung und die schlaflose Nacht
Weitere Kostenlose Bücher