Historical Weihnachtsband Band 4
sich in Luft auflösten.
Und wenn sie an seine Lippen dachte, so blass und doch so einladend, vor allem die volle Unterlippe, die so weich aussah, dass sie kaum an sich halten konnte, sie zu berühren.
Eine Frau, die bald das bedeutsame Alter von dreißig Jahren erreichen würde, täte gut daran, über ihre Zukunft nachzudenken. Eine Frau, die besagtes Alter am ersten Weihnachtstag erreichen würde, sollte ihre Zukunft mit ganz besonderer Sorgfalt überdenken.
Das Leben eines Menschen war in einem Augenblick vorüber. Und ob es sich nun um einen Traum gehandelt hatte oder nicht, die Reise mit Fern in der vergangenen Nacht war eine unsanfte Warnung gewesen. In nur wenigen Stunden würde sie dreißig sein. Fiona konnte es noch immer nicht ganz fassen. Wenn es so weiterging, würde es 1915 sein, bevor sie es sich versah. Wollte sie wirklich die nächsten fünfundzwanzig Jahre damit verbringen, in ihrer Buchhandlung vor sich hinzubrüten? Nein, jene Weihnachten wollte sie mit einem Lächeln begrüßen, nicht mit finsterer Miene, und außer den Büchern und Katzen sollten süße Erinnerungen und gute Freunde ihre Gesellschaft sein.
Schritte näherten sich ihrer Tür. Schnell drehte Fiona sich um. Doch die Tür ging nicht auf, nur ein zusammengefaltetes Blatt Papier wurde unter ihr durchgeschoben. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Es musste ein Abschiedsbrief von Tobias sein. Er hatte nun wohl doch beschlossen, die Angelegenheit seinem Anwalt zu überlassen.
Trotzdem galt ihre Angst ihm. Der dumme Mann würde sich den Tod holen, wenn er bei diesem Wetter über Land reiste, und Hungerford womöglich nie erreichen!
Mit angehaltenem Atem ging sie zur Tür und bückte sich. Ihre Hände zitterten leicht, als sie das Papier öffnete und las:
Meine liebe Miss MacPherson, ich nehme Ihre freundliche Einladung zum Abendessen mit größtem Vergnügen an. Bis sieben Uhr.TT.
Fiona drückte den Brief an die Brust, an der erst gestern Abend noch Mr Templetons
– Tobias’ – Kopf geruht hatte. Sie erinnerte sich nicht, ihn zum Essen eingeladen zu haben. Hatte sie es doch getan? Was sie am Mittagstisch alles geplappert hatte, war ihr völlig entfallen. Allerdings wusste sie noch sehr genau, dass er sie schön genannt hatte. Schön! Sie fühlte sich wieder wie ein sehr junges Mädchen, und entsprechend aufgeregt lief sie zu ihrem Schrank, wobei sie in der Eile ganz zu hinken vergaß. Es gab Wichtigeres für sie zu tun, als über eine fünf Jahre alte Verletzung nachzugrübeln.
Vor allem musste sie die uralte Frage klären, was in aller Welt sie heute Abend anziehen sollte.
Fiona stand auf der Schwelle zum Speisezimmer, gerade als die Uhr in der Eingangshalle ihren siebten und letzten Glockenschlag hören ließ. Vorsichtig lugte sie hinein, und es schien ihr, als sähe sie, wenn nicht einen Traum, so doch zumindest das Happy End ihres Traums von voriger Nacht. Eine Unzahl von Kerzen schimmerte, der Gaslichtkronleuchter, der von der Decke hing, strahlte so hell wie ein Stern, die einst verrußten Lampen glitzerten so kristallklar wie Tobias’ Augen. Den kleinen, runden Tisch schmückten ein glänzendes blaugrünes Tuch, ein Adventsgesteck im silbernen Tafelaufsatz und zwei silberne Speiseglocken. Zwei Kristallgläser schienen gerade eben mit perlendem Champagner gefüllt worden zu sein. Ganz offensichtlich war hier für zwei Personen gedeckt. Nach dem Duft, der den Raum erfüllte, musste sich unter den Speiseglocken ihr Weihnachtsmahl befinden, dabei wusste Fiona, dass ihre Speisekammer bis auf das Nötigste kaum etwas aufwies. Ein silberner Kübel mit der Champagnerflasche stand auf dem Serviertisch. Wie hatte Tobias das alles nur bewerkstelligt?
Ihr Gast stand am Fenster und blickte hinaus, die Hände hinter dem breiten Rücken verschränkt. Er musste entweder das Schlagen der Uhr oder ihr Kommen gehört haben, denn er drehte sich zu ihr um. Vom schwachen Mondlicht umgeben, nahm er Fiona regelrecht den Atem und brachte ihr Herz zum Klopfen.
Wie in ihrem Traum heftete sein Blick sich auf sie, und er kam auf sie zu. Sie wusste es nicht genau, aber sie hatte den Eindruck, dass er den Atem anhielt.
Dicht vor ihr blieb er stehen und verbeugte sich knapp. „Miss MacPherson, Sie sehen
... bezaubernd aus.“
Fiona konnte nicht sagen, ob sie diese Bezeichnung verdiente, aber zum ersten Mal seit fünf Jahren kam sie sich nicht mehr unzulänglich, blass oder unscheinbar vor.
Natürlich lag es am Kleid. Durch seine Tournüre war
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