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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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Reichskanzlei, die abgesperrt worden war: »Autos wurden zur Umleitung gezwungen und Passanten durch karabinerbewehrte Doppelposten zur Umkehr gezwungen«, meldete ein Informant der Exil-SPD. Und weiter: »Die Stadt steht unter eindringlicher, wenn auch nicht allzu deutlich hervortretender Bewachung. An allen Brücken bis zur Stadtgrenze sind Posten aufgestellt und offenbar die letzten Polizeireserven eingespannt. Lange hat man die korpulenten Revierbeamten nicht mehr Straßendienst machen sehen (…) Bis in die Nacht hinein rasen die Überfallwagen durch die Straßen.« In einigen dieser Autos saßen nicht festgenommene SAFührer auf dem Weg nach Lichterfelde, sondern Mordkommandos: Göring, Himmler und Heydrich nutzten die Gelegenheit, weitere unliebsame Hitler-Gegner zu liquidieren. SS-Trupps erschossen am Mittag des 30. Juni den Ex-Reichskanzler Kurt von Schleicher und seine Frau in ihrer Wohnung in Neubabelsberg bei Berlin, den Ministerialrat Erich Klausener, zugleich Leiter der Katholischen Aktion, in dessen Büro im Reichsverkehrsministerium Wilhelmstraße 80 sowie den ehemaligen Freikorpskämpfer Eugen von Kessel in seiner Wohnung in der Hildebrandstraße 17 in Tiergarten.
    Ebenfalls in oder bei Berlin wurden der Oberregierungsrat Herbert von Bose und Edgar Julius Jung ermordet, zwei Mitarbeiter Franz von Papens, außerdem der untragbar gewordene Ottmar Toifl, der sich im KZ Columbia-Haus einen schrecklichen Ruf »erarbeitet« hatte, sowie Hitlers ehemaliger Organisationsleiter Gregor Strasser. In der Kaserne Lichterfelde begannen am Spätnachmittag des 30.Juni Erschießungen. Zu den ersten vier Toten gehörte Karl Ernst, Berlins SA-Chef. Er hatte eigentlich an diesem Tag auf eine Kreuzfahrt gehen wollen, war aber in Bremerhaven vom Schiff geholt und nach Berlin gebracht worden. Am Sonntag, dem 1. Juli, wurden weitere zwölf Delinquenten in der ehemaligen Kadettenanstalt hingerichtet, darunter Schleichers ehemaliger Staatssekretär Ferdinand von Bredow. Am 2.Juli wurde der Kaufmann Adalbert Probst das letzte Opfer des so genannten Röhm-Putsches. Insgesamt starben in und bei Berlin während der Mordaktion 24 Menschen. Damit verzeichnete die Reichshauptstadt nach München (29 Tote) die zweithöchste Todeszahl, vor Breslau (sieben Opfer) und Dresden (fünf Tote). Mindestens 90 Menschen verloren bei dieser »Nacht der langen Messer« das Leben. Hitler aber ging so rasch wie möglich zur Tagesordnung über; am 3.Juli bereits erließ die Reichsregierung das »Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr«. Der einzige Artikel dieses wahrscheinlich kürzesten Gesetzes der deutschen Geschichte lautete: »Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30.Juni, 1. und 2. Juli vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens.« 14

    1934 – 1939
    4 KULISSE

    Die populäre Diktatur

    »Wer die breite Masse gewinnen will, muß den Schlüssel kennen, der das Tor zu ihrem Herzen öffnet. Er heißt nicht Objektivität, also Schwäche, sondern Wille und Kraft.« Adolf Hitler schrieb diese Sätze 1924 als »Ehrenhäftling« in der Festung Landsberg. Sie gehören, neben Rassenwahn und dem unbedingten Willen, Deutschland auf dem Wege einer gewaltsamen Expansion mindestens zur führenden Macht Europas zu machen, zu seinen Kernüberzeugungen. »Wille« und »Kraft« sind die beiden Elemente, die sich in jeder Hitler-Rede finden. Den Menschen sein Verständnis von »Wille« und »Kraft« zu vermitteln, war das Ziel aller nationalsozialistischen Propaganda, und deren Erfolg maß sich ausschließlich daran, ob dies gelang. Sachargumente spielten dagegen keine Rolle; es ging nicht um Überzeugen, sondern um Überwältigen. Anderthalb Jahre nach der Niederschrift von Mein Kampf wurde Hitler hinsichtlich seiner Ansichten zu Politik und Propaganda vor einem erlauchten Publikum, dem elitären Nationalen Klub Hamburg, besonders deutlich: »Was die Masse fühlen muß, ist der Triumph der eigenen Stärke, die Verachtung des Gegners.«
    Auch als Adolf Hitler die Macht über Deutschland im Sommer 1934 ungeteilt in Händen hielt, änderte er sein Vorgehen nicht – nur das Ziel wurde ein größeres: Jetzt sollte es nicht mehr nur das Reich sein, sondern ganz Europa. Entsprechend blieb er auch als Reichskanzler seinem wesentlichen politischen Mittel treu: der Begeisterung der Massen für seinen Willen. Staatspropaganda war das wesentliche Merkmal der deutschen Politik in den fünf Jahren zwischen dem Schlag gegen die

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