Hitlers Berlin
halbstaatlichen Einrichtungen gemacht. Außerdem versuchte das neu gegründete, für Preußen zuständige Geheime Staatspolizeiamt (abgekürzt Gestapa im Gegensatz zur späteren, reichsweit tätigen Gestapo), die Verfolgung der politischen Gegner zu kontrollieren. Anfang Mai 1933 zog das Gestapa in die Kunstgewerbeschule an der Prinz-Albrecht-Straße 8 (heute Niederkirchner-Straße) in Kreuzberg. 10
Trotzdem kam es immer wieder zu Ausbrüchen ungezügelter Gewalt der SA. Während Hitler im Frühjahr 1933 zwischen Berlin und München pendelte, manchmal auch einzelne Termine in Kiel oder Bayreuth wahrnahm, ging unter Goebbels und Göring die Unterdrückung aller Andersdenkenden weiter. Die blutigsten Ausschreitungen ereigneten sich Ende Juni 1933 in Köpenick: Bei einer wie üblich brutalen Razzia in der Alten Dahlewitzer Straße 2 (heute Schmausstraße) wehrte sich eines der Opfer. Der 24-jährige Anton Schmaus, Sohn des SPD-Funktionärs Johannes Schmaus, erschoss in Notwehr einen SA-Mann und verletzte zwei weitere tödlich. Deren Kameraden sahen daraufhin rot. Johannes Schmaus wurde in einem benachbarten Stall aufgeknüpft; die SA »entdeckte« dann selbst den Leichnam und deklarierte den Tod als Selbstmord. Die Kriminalpolizei aber hielt nüchtern fest: »Die Todesursache scheint nicht hinreichend geklärt.« Mindestens weitere 23 Menschen wurden in den folgenden fünf Tagen von SA-Männern in Köpenick getötet, viele Dutzend im Gefängnistrakt des Amtsgerichts misshandelt. Anton Schmaus hatte sich ins örtliche Polizeirevier geflüchtet; als er ins Polizeipräsidium am Alexanderplatz überstellt werden sollte, gab jemand der SA einen Tipp. Auf den Treppen des Präsidiums wartete ein SA-Trupp und verletzte den Studenten so schwer, dass er wenig später starb. Als »Köpenicker Blutwoche« ist dieser beispiellose Exzess bekannt geworden; laut DDR-Geschichtsschreibung eine gezielte Aktion gegen Kommunisten. Das stimmt jedoch nicht: Eigentliches Ziel der groß angelegten Durchsuchungsaktion am 21. Juni war der Kampfring junger Deutschnationaler, die Jugendorganisation von Hugenbergs DNVP, die sich wenige Tage später selbst auflöste. Bei der Mordserie handelte es sich um eine spontane Entladung ungezügelter Gewalt, die ein grelles Licht auf die Zustände in Berlin im Sommer 1933 wirft. Die schrecklich zugerichteten Körper mehrerer getöteter Hitler-Gegner wurden mit Steinen beschwert in der Dahme versenkt, tauchten aber Anfang Juli wieder auf. Nach einer ersten Zeitungsmeldung am 3. Juli (»Geheimnisvoller Leichenfund«) wurden die Ermittlungen umgehend eingestellt. Mörderische Gewalt gegen Kommunisten und Sozialdemokraten störte die Verantwortlichen in der Verwaltung nicht; aber dass die verstümmelten Leichen publik wurden, ging zu weit. Pikiert schlugen Vertreter des preußischen Innenministeriums vor, die Täter aus der Umgebung Köpenicks zu entfernen. Ein Ministerialrat Fischer wollte Mitte Juli 1933 den SA-Chef von Berlin-Brandenburg, Karl Ernst, »auf die Bedeutung und Schwere der vergangenen Vorfälle hinweisen« und drohte im Falle einer Wiederholung ein »unnachsichtiges Einschreiten der Staatsgewalt« an. Doch inzwischen hatte Hitler das Ende der »nationalen Revolution« beschlossen und am 6. Juli verkündet: »Die Revolution ist kein permanenter Zustand, sie darf sich nicht zu einem Dauerzustand ausbilden. Man muß den freigewordenen Strom der Revolution in das sichere Bett der Evolution hinüberleiten. (…) Wir haben heute absolut die Macht, uns überall durchzusetzen. (…) Die Partei ist jetzt der Staat geworden. Alle Macht liegt bei der Reichsgewalt. Es muß verhindert werden, daß das Schwergewicht des deutschen Lebens wieder in einzelne Gebiete oder gar Organisationen verlagert wird.« Daraufhin erklärte Göring am 22. Juli eine Amnestie für alle Straftaten, die bis »zur Errichtung des nationalsozialistischen Staates, d.h. bis zur Erklärung der Beendigung der Revolution durch den Führer und Reichskanzler« verübt worden waren. Nach dem 6. Juli begangene, »mit den Strafgesetzen nicht im Einklang stehende Handlungen, gleichviel von wem sie begangen sind«, würden jedoch »unnachgiebig geahndet werden«.
Tatsächlich waren im Sommer 1933 Deutschland und die NSDAP zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung identisch: Es gab keine an deren Parteien mehr; sie waren entweder verboten worden oder hatten sich selbst aufgelöst. Zwar versuchten viele verbliebene Hitler-Gegner, Kontakt zu
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