Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
Vom Netzwerk:
Reichswehr, was der SA-Chef anstrebte: Die braune Parteiarmee sollte an die Stelle der kleinen, aber elitären Reichswehr treten. War das traditionell nationalkonservative Offizierskorps als Machtfaktor erst einmal ausgeschaltet, sollte der Umbau der deutschen Gesellschaft fortgesetzt werden. Das Ziel war eine »zweite Revolution«, nach der »nationalen« nun eine »sozialistische«. 12
    Im Frühjahr 1934 spitzte sich die Lage zu. Reichswehr und SS drängten Hitler zu einer Entscheidung, Röhm dagegen wollte die Lage beruhigen und den Reichskanzler nicht reizen. Deshalb ordnete der SA-Stabschef am 8. Juni »Urlaub« für seine Braunhemden an. Im ganzen Juli sollte es reichsweit keine SA-Aufmärsche geben; er selbst reiste nach Oberbayern zur Kur. Gleichwohl kursierten weiter Gerüchte: Angeblich erwarteten »politische Kreise« das »Ende des Regimes und seine Über führung in eine Militärdiktatur mit oder ohne Hitler in kurzer Zeit«, vermeldeten die De utschlandberichte der Exil-SPD. Es werde sehr viel auf Spannungen zwischen Berlin und München hingewiesen und angeführt, dass »die Parteileitung in München durchaus nicht mit der Regierungspolitik in Berlin übereinstimme«.
    Diese Meldungen waren sachlich falsch, aber sie illustrieren die Spannung, die Ende Juni im Regierungsapparat herrschte. Um den 25. Juni kamen SS-Führer aus dem ganzen Reich nach Berlin und wurden von Himmler und Heydrich auf einen angeblich unmittelbar bevorstehenden Aufstand der SA hingewiesen. Gleichzeitig unterrichtete die Reichswehr ihre Regionalkommandos und wies sie an, in den nächsten Tagen Waffen und Lastwagen bereitzuhalten, die auf Befehl aus Berlin SS-Trupps zu übergeben waren. Am 28.Juni befahl Hitler telefonisch, für den 30. Juni um elf Uhr eine Führerbesprechung der SA an Röhms Urlaubsort Bad Wiessee einzuberufen. Es war kein Zufall, dass nicht in Berlin, sondern in der »Hauptstadt der Bewegung« München zuerst etwas durchsickerte über den geplanten Schlag gegen Röhm. Hier saß weiterhin die inzwischen maßlos aufgeblähte Parteiverwaltung der NSDAP, die gute Kontakte zur Berliner Bürokratie hatte, aber nicht unbedingt Sympathie für sie. Eine SA-Standarte erhielt aus unbekannter Quelle eine Warnung und zog daraufhin am Abend des 29. Juni mit rund 3 000 Mann randalierend durch die Münchner Innenstadt. Trotzdem ahnten Röhm und sein Umkreis nichts. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni tauchte Hitler theatralisch in dem oberbayerischen Kurort auf, nahm ein halbes Dutzend SA-Führer persönlich aus den Betten heraus fest und ließ sie ins Gefängnis München-Stadelheim bringen. Dort wurden sie und weitere Festgenommene in den folgenden zwei Tagen erschossen, Röhm selbst als einer der letzten.
    Zeitgleich begann in Berlin der ungefähr seit einer Woche vorbereitete Schlag gegen weitere SA-Führer. Um 12.30 Uhr wurde das Haus der SA-Führung Berlin-Brandenburg in der Tiergartenstraße abgeriegelt: »Rund 15 Motorräder, annähernd 20 Flitzer und Überfallwagen mit Scheinwerfern und verdeckten Maschinengewehren und drei ›Sonderfahrts‹-BVG-Wagen halten vor der Obergruppe, das Haus wird besetzt und die SA mit erhobenen Händen herausgeführt«, heißt es in den Deutschlandberichten der Exil-SPD. Die Festgenommenen wurden in die ehemalige Kadettenanstalt in Lichterfelde gebracht, nun Kaserne der »SS-Leibstandarte Adolf Hitler«. Erste offizielle Nachrichten über die Aktion erhielten die Berliner am Nachmittag des 30. Juni aus der Nacht ausgabe, der Abendzeitung des gleichgeschalteten Scherl-Konzerns: »Röhm aus Partei und SA ausgestoßen.« Die BZ am Mittag brachte ein kostenloses Extrablatt heraus, die Abendausgaben der anderen, ebenfalls längst zu NS-Organen herabgesunkenen Berliner Zeitungen druckten eine knappe Verlautbarung Hitlers: »Ich habe mit dem heutigen Tag den Stabschef Röhm seiner Stellung enthoben und aus der Partei und der SA ausgeschlossen.« Angesichts solcher Meldungen überrascht es nicht, dass am Abend des 30. Juni Unruhe herrschte in Berlin: »Abends starke Bewegung in der Stadt. Die Heerstraße passiert alle paar Minuten ein SA-Führerauto, staubbedeckt, alle Verkehrsvorschriften unbeachtet lassend und in wahnwitzigem Tempo der Stadt zujagend. SA zieht in kleinen Trupps nach Berlin, 50 und mehr SS-Autos fahren hinaus, dazwischen Landespolizei, startbereite Wagen vor den [Polizei-] Bereitschaften usw.« 13
    Um 22 Uhr landete Hitlers Flugzeug in Berlin; er fuhr sofort in die

Weitere Kostenlose Bücher