Hitzeflimmern
vorwurfsvoll und schob das Kinn nach vorne.
„Martini, das trinken Kinder“, sagte er und erhob sich widerwillig.
„Du hast aber keinen.“
„Nein, haben wir nicht“, bestätigte er. Ihr Gehabe war ermüdend und jetzt bot sie weit weniger Spass als soeben. Am liebsten hätte er sie einfach vor die Türe gesetzt. Karl runzelte die Stirn über seine eigene Grobheit und öffnete den Kühlschrank.
Er ging die Säfte durch, da er sich dunkel erinnerte, dass Christelle in den seltenen Momenten, da sie sich einen Longdrink einräumte, Cosmos trank. Entsprechend fand er Preiselbeer- und Limettensaft.
„So, damit kannst du experimentieren“, sagte Karl freundlich und stellte alles vor Zoya auf die hohe Theke der Küche.
Sie blickte misstrauisch die Sammlung von Flaschen und Gläsern an und schüttete schliesslich puren geeisten Wodka in ein Wasserglas.
Er runzelte die Brauen und sagte: „Ich gehe schlafen.“
Zoya blickte ihm mit schmollend aufgeworfenen Lippen nach und leerte mit eifrigen Schlucken ihr Glas.
Sie kam und ging wie es ihr gefiel und Karl war es zufrieden. Er mochte es, sie gelegentlich vorzufinden und er genoss es, dass sie ihn nicht fragte, wo er gewesen sei. Das lag hinter ihm, sagte er sich.
Allmählich gewöhnte er sich an sein neues Singledasein und an manchen Tagen vermisste er seine Familie kaum. Meinte er.
Doch wenn er unvermutet auf ein Foto seiner Kinder oder von ihnen vieren aus den guten Tagen stiess, so versetzte es ihm einen Schlag und aus dem Nichts stand die Erinnerung vor ihm. Er erinnerte sich, wie Christelles Mittelung ihn gleich einer Kanonenkugel aus einem relativ heiteren Himmel getroffen hatte. Manchmal machte es ihn wütend und er warf ihr im Stillen ihre Ungerechtigkeit und ihren Egoismus vor. Beschissene Selbstfindung. Verfluchter Entwicklungsdrang.
Doch da waren auch die neuen Annehmlichkeiten und Freiheiten, die er genoss und die ihm das Gefühl gaben, jünger, zwangloser und unabhängiger zu sein. Was er zuvor als Luxus betrachtet hatte, war nun sein Alltag. Er musste auf niemanden Rücksicht nehmen und sich nach niemandem richten. Er hatte alles, was er brauchte ohne verpflichtet zu sein. Es war herrlich.
Und unglaublich einsam.
„Papa“, rief Bastian hallend und Karl musste das Telefon weit von seinem Ohr weghalten. „Ich will nicht machen, was der Stiefpapi sagt.“
„Wer ist denn dein Stiefpapi?“ fragte er unpassend naiv, weil ihn das Wort allein schon reizte.
„Enzo“, stiess Bastian hervor, als rede er von einem schleimbehafteten Ferkel der ersten Kategorie.
„Was hat der denn gesagt, was du tun sollst?“
„Er sagt, dass ich nicht DS spielen darf, wenn er da ist“, sagte Bastian.
„Du kannst das Gerät doch leise machen. Dann darfst du sicher spielen“, meinte Karl.
„Aber ich will gar nicht machen, was der sagt. Gar nicht!“
Karl seufzte lautlos. Er wusste, in wenigen Sekunden würde der Junge in Tränen ausbrechen. Es war vollkommen hoffnungslos, aus der Ferne ein Machtwort zu sprechen, denn was auch immer er sagte würde er nicht durchsetzen können. Weder bei den Kindern noch bei sonst jemandem.
„Bastian, geh doch in dein Zimmer, dann stört es sicher niemanden“, schlug Karl vor.
Er hörte einiges Hin und Her und schliesslich sagte seine Schwiegermutter: „Karl, ich finde gar nicht, dass du dich da einmischen solltest.“
Sie gab Bastian geflissentlich einen Abrieb, was ihm einfalle, so teure Telefonate zu tätigen, während Karl am anderen Ende geduldig wartete.
„Also, was ist los?“ fragte sie schliesslich ihn.
„Ich habe keine Ahnung. Der Junge hat angerufen. Der Stiefpapi? Sind wir schon so weit? Soweit ich weiss, ist noch nicht mal die Trennung offiziell“, bemerkte er.
„Ja ich weiss, Charles“, sagte die Schwiegermutter vorsichtig. „Das ist nicht so günstig gelaufen all das. Ich will nur, dass du weisst, dass es mir Leid tut. Gell?“
„Merci“, erwiderte er. „Ich bin übrigens auch nicht der Meinung, dass Christelles Kauz meinen Kindern Anweisungen gibt. Verstehst du auch, oder?“
„Ich glaube, wir brauchen alle ein bisschen Zeit, um uns an eine neue Situation zu gewöhnen, nicht wahr?“ sagte sie.
Diplomatisch wie immer, die Dame.
„Richtig“, bestätigte er deshalb. „Wie geht‘s denn allen?“
„Ja, also die Kleinen nehmen es schon schwer. Das ist nicht einfach. Nicht einfach. Christelle gibt sich alle Mühe. Das weisst du auch, gell?“
„Ich kann nichts anderes, als mich
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