Hitzeflimmern
dass er sie gegen sich pressen wollte und es kostete ihn alle Überwindung, sich vom Anblick loszureissen.
Karl blickte diskret auf ihre Karte.
Fayna Orlik. Da standen ihre Nummer und ihre Emailadresse.
Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Gespräch zu. Nun hatte er ausreichenden Grund, F+M zu engagieren und es galt herauszufinden, ob sie dafür auch gut genug waren.
Ihr war etwas Aussergewöhnliches eigen. Ihre Person war nicht in sich begrenzt, vielmehr war sie ein Versprechen auf ein Unbestimmtes. So vage und doch so eindeutig war sie ausserhalb des Bekannten. Er musste mehr erfahren. Er musste sie finden. Er musste sie ganz erkennen können. Es war eine Sehnsucht wie der Durst der Wüste, die ihn überkam und die ihm keine Ruhe liess. War das Sehnen bis dahin ein unbestimmtes Vermissen gewesen, so fühlte er jetzt die Macht einer schier unerträglichen Gier. Karl machte sich nicht einmal bewusst, wie abgehoben seine eigenen Gedanken waren. Sie nahmen sein Denken derart ein, ja sie übernahmen ihn gewissermassen. Es blieb ihm nur das dringende Bedürfnis, sich Faynas Wesen einzuverleiben.
Sie sollte seinen Gedanken Sinn geben. Sie sollte seinem Leben Freude bereiten, sie sollte ihn zum Bild seiner selbst zurückführen. Sein Bild von Stärke. Dass er darauf vertrauen konnte, stark zu sein. Mächtig, vollmächtig in seinem eigenen Leben. Kein Spielball von Bedürfnissen anderer. Keiner, dem man einfach mitteilte, dass er abgelöst war. Keiner, der seine Familie verlor.
Er wollte, dass Fayna ihn sich selbst zurückgab. Nur sie konnte das. Nur sie war in der Lage. Nur ihr freies Wesen, ihre Intelligenz war dem gewachsen. War ihm gewachsen. War in der Lage, ihm seine Vollständigkeit und seine Macht wiederzugeben. Denn bisher hatte es niemand gekonnt.
Er griff zum Telefon und tippte ihre Nummer auf der Karte.
„Hallo, hier ist Karl“, sagte er einfach.
„Hallo“, sagte Fayna nach einer Pause.
„Ich war sehr überrascht, dich bei F+M anzutreffen. Ich hatte dich gerade überhaupt nicht erwartet.“
„Ja.“ Nach einer Pause erklärte sie schnell: „Ich war damals in Dmytrivka in einer wirklich schlimmen Lage. Ich hatte grade den Job verloren, ohne bezahlt zu werden. Darum habe ich – Angebote angenommen, die ich sonst nicht annehme.“
„Ich habe mir sowas gedacht“, sagte Karl etwas ratlos. „Ich würde dich gerne sehen.“
„Wie denn?“ fragte sie misstrauisch.
„Auf einen Kaffee vielleicht? Oder ein Abendessen?“ schlug er vor.
„Hm. Gut. Nächste Woche kann ich Dienstag“, erwiderte sie.
„Dienstag ist gut“, sagte Karl. Er würde ein Meeting verschieben müssen.
„Bis dann.“
„Ich freue mich. Bis dann.“
Anton brachte wieder einmal MetalO zur Sprache. Er führte verschiedene Argumente ins Feld, die für die Firma sprechen sollten. Karl ging es auf die Nerven und er liess von Anna die Dokumentation sowie seinen Bericht kommen, die seine Eindrücke wiedergaben. Anton nahm den Stapel unter den Arm und verliess das Büro des Bereichsleiters.
Von Hierarchie wegen war ihm dieser überstellt. Doch aufgrund der Teilung der Geschäftsbereiche war Karl nicht Antons Vorgesetzter, sondern nur der Vorgesetzte seiner Kollegen. Das wussten sie beide.
Anton vertiefte sich in die Unterlagen. Es w ar ihm in vielerlei Hinsicht zuwider, wie wichtig viele Leute Karls Urteil immer nahmen. Was immer der sagte, es konnte lange erarbeitete Pläne einfach so umstürzen. Es hatte Anton immer wieder geärgert, wie Karl sich hervorgetan hatte und wie mühelos er die Position des Bereichsleiters erhalten hatte. Anton selbst hatte viel länger und härter für seinen Aufstieg arbeiten müssen und dieser Ausländer kam daher, blickte kurz auf die Lage der Dinge und gab vor, sie verstanden zu haben. Das Schlimmste aber war, dass ihm immer wieder geglaubt wurde.
Anton seufzte während er durch die Unterlagen von MetalO ging. Es waren besonders glänzende Broschüren und die Produktbilder waren stark stilisiert. Er fächelte sich mit einem Faltblatt Luft ins Gesicht. MetalO konnte auch nicht schlechter sein als andere und er nahm den Hörer in die Hand.
Am Abend fand sich Zoya bei Karl ein. Er hatte sie nicht eingeladen und war nur mässig begeistert sie zu sehen. Er hatte sich zuvor im Fitnessstudio verausgabt und war auf angenehme Weise müde.
„Was machst du?“ fragte sie über die Schulter, während sie ihr Kleid über den Kopf zog und mit ihrem Ipod den gewohnten Weg zum
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