Hitzeflimmern
das der Ort war, an den er nun gewaltsam zurückgezwungen wurde. Doch der Ort war zu schlecht, zu schlecht gebaut das Heim und er wollte nicht zurück.
Floh er also in sichere Dunkelheit.
Österreich, Gruisla, 1805
Wie fliessendes Glas war das Gefühl. Dunkel und gnädig das Dasein. Eine tiefe Ruhe strömte durch alles Sein und matte Wohligkeit lag in den Gliedern.
Die Augen öffnend gewahrte sie den altvertrauten Raum, wo auf dem warmen Kachelofen die kleinen Schäferszenen gemalt waren. Das helle Weidengrün durchzog weich die weiss glasierten Kacheln. Es roch nach verbranntem Tannenholz und die herbe Dichtigkeit von Kohle und Bratäpfeln lag in der Luft.
Viola streckte sich auf dem Divan aus und blickte zum hellen Fenster. Die Eisblumen waren geschmolzen und nur vereinzelt ragte ein spitzes Blättchen aus dem Eck hervor. Es war später Winter und bald würde die Schmelze einsetzen und die Wärme kehrte zurück. Viola sehnte sich nach dem Frühjahr und den Blumen, doch es bedeutete auch Verlust.
Wie schade doch, dachte Viola da, dass ein jeder Gewinn mit einem Verlust einherging.
Sie sah Ferenc vor sich, dachte an sein liebes Lachen und seine stattliche Gestalt. In dichten blonden Locken wellte sich das Haar über seiner Stirn und feine Fältchen sassen in seinen Augenwinkeln. Sie vermisste ihn doch mit jedem Atemzug, da er sie verliess. Ach, sie achtete sich so vieler kleiner Dinge an ihm und war sich doch so sicher, dass er sie niemals so gut kannte wie sie ihn. Wie vertraut war ihr sein Grübchen am Mund, sein starker Arm unter der Uniformjacke, seine hellbraunen Augen, die sie so gut kannte.
Viola atmete tief, wenn sie an Ferenc mit seinen schönen Armen dachte. Wie sehnte sie sich danach, dass er dem Dienst endlich entkäme, dass er endlich, endlich der ihre wäre und nicht mehr ausziehen würde. Wie hasste sie den französischen Kaiser, weil der keine Ruhe gab. Der ihr Ferenc nahm, ihn ihr Jahr um Jahr raubte, nachdem der harsche Winter ihr den Liebsten einmal gebracht hatte.
Doch da war auch ein anderer. Da war Valentin. Valentin mit den schmalen, tiefliegenden Augen, der sie mit seinen glühenden Blicken verfolgte. Er stellte ihr nach und wo immer sie ihn nicht erwartete, tauchte er plötzlich auf. Viola fürchtete ihn fast und dann schalt sie sich ihrer Dummheit. War sie doch kein kleines Mädchen mehr, war sie doch schon zwanzig Jahre alt.
Zwanzig und noch nicht einmal verheiratet. Noch ganz für sich. Nur mit einem Verlobten, der ihr Frühjahr für Frühjahr entrissen wurde, weil der französische Löwe des Krieges gegen ihren Kaiser nicht müde werden wollte.
Viola trat ans Fenster. Der Schnee war schon eingesunken, seine leichte Schaumigkeit war vergangen und nur als eine vereiste Kruste plagte er noch das Land unter sich. Doch, und sie seufzte erneut, dieser dicke Schnee und die schlammige Trägheit, die er dem Erdreich lassen würde, waren der einzige Garant für Ferenc hier bei ihr.
Sie wagte nicht zu denken, dass Ferenc nicht nur fortging, um im späten Herbst wiederzukehren. Ferenc war in ernster Gefahr. Gott mochte wissen, was ihm im Krieg alles zustossen konnte. Sie wollte nicht daran denken, doch Viola wusste es doch. Es war der Krieg ja kein Spiel von glänzenden Uniformen und ruhmreichen Waffen, es war der Herr des Todes . Der grausige Mars fegte über die Felder, auf denen die Männer standen und sein eisiger Hauch ging auf sie nieder.
Manchmal in den gefahrvollen Sommern fragte sich Viola, ob denn die anderen, die französischen, den Tod des mörderischen Feldes nicht ebenso fürchteten. Doch es war ein törichter Gedanke und sie gestattete sich nicht, Ferenc danach zu fragen.
Valentin, der war nicht bei der Garde. Er war kein Soldat und er blieb daheim. Doch Ferenc mochte es nicht, wenn Valentin mit ihr sprach. Er fand ihn einen nichtswürdigen Schurken und Viola liess es gelten. Ferenc, das dachte sie letztlich, würde es wissen, denn er wusste allerhand und liess sie manches wissen. So war sie es zu meist zufrieden. Doch manchmal, wenn die Sommernächte schwül waren und nichts, aber auch gar nichts sie zu kühlen vermochte, dann wäre sie gerne mit Ferenc an einem kühlen Bach gesessen und hätte seiner Stimme gelauscht. Doch zu lauschen gab es nichts, denn Ferenc war in fernen Landen und stolz darauf.
Valentin aber, der war immer da. Mit schauderndem Reiz dachte sie an ihn. Der wachte stets bei ihr, sagte er ihr in den gestohlenen Momenten, da er allein mit ihr war. Nur
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