Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Schönenberg hatte in der Nacht, in der Portner erschossen wurde, nachweislich keinen Dienst«, verkündete Werneuchen, der die Zeit genutzt hatte, ein paar Erkundigungen einzuziehen. »Sie hätte an dem betreffenden Abend Nachtdienst gehabt, hat aber zwei Tage vorher kurzfristig mit einer Kollegin getauscht.«
»Mit welcher Begründung?«
»Sie hat gesagt, dass sie einen wichtigen Termin habe, der ihre Freundin betrifft«, antwortete Werneuchen, der von Haus aus sehr gründlich war. »Und da die Kollegen von Merle Olsens Vergewaltigung wissen, hat niemand Genaueres wissen wollen.«
»Ich verstehe«, sagte Winnie, während sie sich innerlich mit der Frage herumschlug, wie es Merle Olsen gehen würde, wenn sie erfuhr, dass ihre Freundin darauf verzichtet hatte, ihren Vergewaltiger anzuzeigen, um ihn für einen persönlichen Rachefeldzug missbrauchen zu können, bei dem es noch dazu um eine ehemalige Geliebte ging …
»Ich habe auch Kira Schönenbergs Mobilfunkanbieter kontaktiert«, fuhr Werneuchen fort, »und nach einigem Hin und Her tatsächlich ihre Einzelverbindungsnachweise einsehen können.«
»Und?«
»Sie hat an dem bewussten Abend nur zwei Anrufe getätigt«, antwortete der Kollege. »Und zwar um einundzwanzig Uhr vierundzwanzig und um zweiundzwanzig Uhr siebenunddreißig. «
Winnie Heller hielt den Atem an.
»Der erste Anruf ging zu ihr nach Hause. Der zweite …«
»Lass mich raten.«
»Wenn’s dir Spaß macht …«
»Der zweite Anruf ging ins Canard.«
»Bingo.« Er lachte. »Aber ich habe in diesem Zusammenhang noch etwas anderes, das dich interessieren dürfte.«
»Ist denn schon Weihnachten?«, scherzte Winnie.
»Tja, so bin ich eben. Wenn ich Geschenke verteile, dann knausere ich nicht.« Anschließend wurde Werneuchen schlagartig wieder ernst: »Nachdem ich den Anruf in Portners Restaurant nachweisen konnte, habe ich mir die Tage vor der Tat vorgenommen. Und dabei bin ich auf eine Nummer gestoßen, die Kira Schönenberg niemals zuvor und auch danach nicht wieder angerufen hat. Eine Festnetznummer in Wiesbaden. «
»Kender?«
Sie hörte förmlich, wie er nickte. »Ja, Kender. Das Gespräch dauerte exakt zweiundvierzig Sekunden und fand ziemlich genau sechsunddreißig Stunden vor dem Mord an Jan Portner statt. Außerdem hat Kira Schönenberg Schuhgröße einundvierzig.«
Winnie rieb sich die erhitzte Stirn. »Reicht das für eine Durchsuchung ihrer Wohnung?«
»Hat Hinnrichs bereits veranlasst«, antwortete Werneuchen. »Sollten wir dabei ein Paar Laufschuhe Marke Lunarglide finden, wird Haftbefehl ausgestellt.«
Winnie Heller zögerte kurz. Dann fragte sie: »Könnt ihr warten, bis ich dort bin?« Zum Teufel mit ihrem schlechten Gewissen, aber wenigstens das war sie Merle Olsen schuldig!
Werneuchen war erstaunt. »Kannst du denn weg aus dem Zoo?«
»Kender ist längst über alle Berge«, entgegnete Winnie trotzig. »Da sehe ich nicht ein, warum ich mich nicht mal für
eine Stunde loseisen sollte.« Immerhin kann Verhoeven ja auch einen Ehekrach vom Zaun brechen, ergänzte sie grimmig.
»Gut, dann gebe ich den Kollegen Bescheid. Bleib mal dran …«
Winnie hörte ein Knacken. Wenige Sekunden später meldete sich Werneuchen zurück »Das geht klar«, sagte er. »Sie sind sowieso noch nicht drin.«
»Warum nicht?«
»Kira Schönenberg hat Dienst, und ihre Freundin scheint nicht da zu sein.«
Winnie Heller sah auf ihre Armbanduhr. »Dann fahre ich jetzt in diese Klinik und rede mit ihr.«
»Wie du meinst.«
»Die Kollegen sollen mich auf dem Laufenden halten, was die Durchsuchung angeht.«
»Klar doch«, versprach Werneuchen. »Ich melde mich, sobald sie drin sind.«
16
»Hallo, Merle!«, rief Inka Rieder, eine der beiden leitenden Stationsschwestern. »Wie geht’s dir?«
Das ist eine verdammt gute Frage, dachte Merle. Laut sagte sie: »Prima, danke«, und der aufgeräumte Klang ihrer Stimme erschreckte sie selbst.
»Sie ist noch beim CT«, erklärte Inka derweil ungefragt und meinte Kira. »Willst du einen Kaffee, während du wartest? «
»Gern.« Merle setzte sich auf einen der Stühle, die an der Wand des Ganges aufgereiht waren, und dachte an die Patienten, die hier für gewöhnlich saßen und darauf warteten, zu einer Untersuchung gerufen zu werden. Oder zur Chemotherapie,
denn die Station verfügte auch über eine onkologische Tagesklinik. Um diese Uhrzeit waren die Sessel, in denen die Patienten schliefen oder lasen, während das Gift, das ihnen das Leben
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