Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
unglücklich zu machen. Das Letzte, was sie wollte …
Trotzdem hatte sie beschlossen, noch dieses eine Gespräch zu führen. Sie hatte bei ihrer Jagd nach Informationen bereits so vielen Menschen auf die Füße getreten, dass es auf dieses eine Mal mehr oder weniger nicht ankam. Und sosehr sie mittlerweise zweifelte, sie wollte sich eines schönen Tages auch nicht vorwerfen müssen, etwas Entscheidendes versäumt zu haben. Das sind die Dinge, die letzten Endes am allerwenigsten zu ertragen sind , hatte ihre Oma in Schweden immer gesagt. Nicht das, was du getan hast, sondern das, was du versäumt hast zu tun.
Merle massierte sich die Schläfen, hinter denen trotz einer großzügig bemessenen Dosis Schmerzmittel seit dem frühen
Morgen ein hartnäckiger Kopfschmerz schwebte. Die Begrüßungsmaske des Navis war unterdessen einem Aktionsfenster gewichen, und sie wählte den Befehl »Navigieren zu«. Kurz darauf forderte der Computer sie zur Angabe einer Adresse auf, und Merle tippte mit dem Zeigefinger der rechten Hand das Wort »WIESBADEN« in die digitale Tastatur. Doch zu ihrer größten Überraschung erschien kein weiteres Leerfeld für den Straßennamen auf dem Monitor, sondern der Computer schlug ihr von sich aus »DANZIGER STRASSE« vor. Jene Adresse, die sie sich auf einen Zettel notiert hatte und zu der sie gerade auf dem Weg war. Mit zittrigem Finger berührte Merle den Button »WEITER«, und in der Auswahlmaske erschien – ebenfalls in Form eines Vorschlags – die Hausnummer der Portner’schen Villa.
Fassungslos ließ sie die Hand sinken.
Was sollte das denn?!
Was, in aller Welt, hatte Kira mit Irina Portner zu schaffen?
Merles Toyota verfügte zwar über ein eigenes, fest integriertes Navigationssystem, doch das funktionierte bereits seit geraumer Zeit nicht mehr richtig. Aus diesem Grund hatte sie beschlossen, sich das Gerät ihrer Lebensgefährtin zu borgen. Da Kira in aller Regel nur zur Arbeit und wieder zurück fuhr und somit auf eine Orientierungshilfe per Satellit zumindest im Alltag problemlos verzichten konnte, bewahrte sie ihr Navi in einer Schublade des Küchenschranks auf, damit es keinen Schaden durch die große Hitze nahm oder Anreiz bot, den Wagen aufzubrechen.
Aber warum hatte Kira Irina Portners Adresse in ihr Navi eingegeben? Was konnte sie von Jan Portners Witwe gewollt haben, noch dazu, wo sie andererseits alles darangesetzt hatte, ihrer Partnerin das Gespräch mit der jungen Russin auszureden?
Merle strich sich die Haare aus der Stirn, während Irina
Portners Adresse vor ihren Augen zu flimmern begann. Das alles ergab nicht den geringsten Sinn!
Und doch würde sie irgendwie herausfinden müssen, was es damit auf sich hatte …
Sie sah auf die Uhr und beschloss, ihren ursprünglichen Plan zu ändern. In einer halben Stunde endete Kiras Dienst. Also würde sie zunächst zur Paulinen-Klinik fahren!
Sie schaltete das Navi aus und schob den Schlüssel ins Zündschloss, doch aus irgendeinem Grund hatte sie ein schlechtes Gefühl. Deshalb zögerte sie lange, bevor sie sich endlich dazu durchringen konnte, den Wagen zu starten und loszufahren.
15
Der Krankenwagen, der Jo Ternes in die Frankfurter Universitätsklinik bringen sollte, war eben durch einen der Seiteneingänge gerollt, als Winnie Hellers Handy abermals zu klingeln begann. Verhoeven telefonierte ebenfalls, und nach allem, was Winnie mitbekommen hatte, einzig und allein zu dem Zweck, seiner Frau Vorwürfe zu machen. Sie hatte keine Ahnung, worum es ging, doch bei aller Freude über Jos Befreiung hatte sie sehr wohl die Wut registriert, die in ihm loderte, seit er auf die Idee mit der Zisterne gekommen war. Eine Wut, wie sie sie kaum je an ihm gesehen hatte.
»Du warst mit den Kindern heimlich im Zoo, nicht wahr?«, hatte er gefragt, kaum dass seine Frau an den Apparat gegangen war.
Und Winnie Heller hatte gedacht, dass es wahrlich schlimmere Vorwürfe gab, die man sich in einer Ehe machen konnte. Immerhin konnte niemand davon ausgehen, dass ein harmloser Zoobesuch ihn zugleich in die Nähe eines gefährlichen
Psychopathen brachte. Doch seit der Erfahrung mit Lübke wusste sie, was die Sorge um einen anderen Menschen in einem selbst auszulösen vermochte. Da war es letztlich egal, ob es um eine Scheibe Putenschinken oder um einen heimlichen Zoobesuch ging.
Sie schenkte dem Rücken ihres Vorgesetzten ein durchaus verständnisvolles Lächeln und hob das Handy ans Ohr.
»Kira
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