Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Chancen …
Ihre Finger bekamen die Klinke zu fassen. Sie hatte die Tür hinter sich geschlossen, vorhin. Eben. Eigentlich vollkommen sinnlos …
Sinnlos und irrational …
Vorsichtig! Und vor allem leise!
Sie schob den Kopf um die Ecke, erstaunt, wie dunkel es dort draußen war. Im selben Moment tauchte ein neuer Blitz den Flur für Sekundenbruchteile in beißende Helligkeit.
Alles in Ordnung, niemand da …
Schnell , baten ihre Augen. Beeil dich.
Zugleich verstärkte sich das Ziehen in ihrem Rücken. Ihr Becken fühlte sich an, als würde es von innen gesprengt.
Nicht jetzt, verdammt noch mal. Nicht ausgerechnet in dieser Situation!
Mit äußerster Selbstüberwindung erreichte sie die Schlafzimmertür.
Den stechenden Geruch des Isoflurans registrierte sie erst, als sie die Tür bereits halb geöffnet hatte. Doch da war es bereits zu spät.
21
Verhoevens Unbehagen verwandelte sich von einer Sekunde zur anderen in blanke Angst, als er sein Zuhause in völliger Dunkelheit fand.
Er ließ den Wagen vor dem Grundstück der Nachbarn stehen und pirschte sich hinter der Garage vorbei in den Garten. Wir gehen davon aus, dass er von der Straße aus die Einfahrt hoch und von da aus hinter der Garage lang ist , plapperte Jürgen Wieczorek in seinem Kopf, während Verhoeven darauf wartete, dass der Wind wieder auffrischte und das Geräusch seiner Schritte verschluckte. Das Gewitter schien inzwischen von überall her zu kommen. Phasen wild auffrischenden Windes wechselten mit Augenblicken vollkommener Stille.
Auch die Rückfront des Hauses war stockfinster.
Aber …
Ja, verdammt, die Terrassentür!
Verhoeven vergaß alle Vorsicht und spurtete geduckt auf das pechschwarze Rechteck zu. Im Laufen riss er seine Dienstwaffe aus dem Bund seiner Hose, wohin er sie vor wenigen Minuten gesteckt hatte.
Das Wohnzimmer empfing ihn mit drückender Stickigkeit. Er hörte das Ticken der Uhr, die Silvie so liebte. Sah das Blinken des Telefons auf dem niedrigen Couchtisch. Ein rotes Flackern, das den sorgenvollen Anruf seiner Schwägerin dokumentierte.
Er wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt
hatten, und trat dann in die finstere Diele. Wenn sie nicht hier unten ist, ist sie bei unserem Kind, dachte er, während seine Füße die ersten Stufen in Angriff nahmen. Niemals würde sie Nina in einer solchen Situation allein lassen.
Er stutzte, als seine Augen etwas Helles auf einer der Stufen registrierten. Verhoeven bückte sich danach und stellte fest, dass es ein unbenutztes Papiertaschentuch war. Silvie litt unter Heuschnupfen und steckte sich oft Reservetaschentücher in den Bund ihrer Leggins oder Shorts, wenn sie zu Hause war und keine Tasche hatte. Und wenn sie in Eile gewesen war…
Wenn sie diese Treppe hinauf gerannt wäre …
Ein gedämpftes Geräusch über ihm ließ ihn aufhorchen.
Etwas, das wie ein unterdrückter Schrei klang. Der Schrei eines Kindes.
Und Verhoeven zögerte nicht.
Er entsicherte die Waffe und stürmte die verbleibenden Stufen hinauf.
22
Damian Kender hielt Silvie Verhoeven die Waffe genau an die Schläfe.
Verhoeven sah sofort, dass er sie betäubt haben musste, denn sie hing in seinen Armen wie ein nasser Sack. Er bedeutete Nina, die sich schluchzend an sein Bein klammerte, dass sie weglaufen solle, doch sie rührte sich nicht von der Stelle.
»Sieh an, Mister Ungeduld.«
Er hatte eine angenehme Stimme. Erstaunlicherweise …
»Lassen Sie sie los.«
»Ich denke nicht daran.«
»Ich zähle bis drei …« Verhoeven nahm die Waffe hoch. »Eins …«
»Machen Sie sich nicht lächerlich.« Jetzt lächelte er. »Sie werden nicht das Leben Ihrer Frau riskieren, um einen Vergewaltiger zu schnappen.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich dazu irgendein Leben riskieren muss?«
»Netter Versuch. Aber Ihr Geruch verrät Sie.« Er schnüffelte in die stickige Luft wie ein Tier. »Ich kann Ihre Angst bis hierher riechen. Und das, obwohl hier noch alles nach Isofluran duftet.«
»Sie irren sich.«
»Nein.« Es klang sehr sicher. »Ich irre mich nicht.«
Obwohl sie betäubt war, stöhnte Silvie in diesem Augenblick leise auf. Ihr Körper schien Schmerzen zu haben. Zumindest sah es so aus.
»Lassen Sie sie los, dann versichere ich Ihnen …«
»O nein«, entgegnete Kender mit dieser unheimlichen Ruhe, die Verhoeven beinahe um den Verstand brachte. » Ich versichere Ihnen etwas. Nämlich dass ich kein Mörder bin.« Sein Blick
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