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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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verbündeten Macht, von den beiden kosmischen Kräften, die sich auf ewig bekämpfen … das hatte Charlie ein wenig erschüttert. Wo verbarg sich in all dem Gott? Man machte sich noch nicht einmal die Mühe, den Gott aus der Heiligen Bibel zu verleugnen. Stattdessen wurde er übergangen, links liegen gelassen wie ein alter Laden an einer Schnellstraße ohne Abfahrt.
    Und als Charlie versucht hatte, deutlich zu machen, dass diese »Andersheit« nur eine andere Tarnung für den Satan war, hatte Jack das Ganze sofort auf den Kopf gestellt, indem er andeutete, dass die Idee vom Satan vielleicht erst dem Wissen um die Existenz der Andersheit entsprungen sein könnte.
    Charlie rieb sich die Augen. Er hatte noch immer keine Antwort auf seine Frage: Wer wurde hier geprüft?
    Er schlug die Bibel wieder auf. Alle Antworten waren dort zu finden. Hab Vertrauen, und Jesus würde ihn hinführen.
    Aber was sein Vorhaben betraf, Lyle zu verlassen und ihr Team zu sprengen, das würde warten müssen. Ja, er hatte es Reverend Sparks versprochen, aber wenn Gott die Absicht hatte, Charlies Glauben zu prüfen, dann konnte er wohl kaum kehrtmachen und sich still und leise davonschleichen. Und falls Gottes Prüfung Lyle galt, dann wollte Charlie seinem Bruder den Rücken stärken, ihm auf seinem Weg zur Erlösung so gut er konnte helfen. Das war es doch, wofür Brüder da waren.
     
     

14
     
    Lyle schaute in Charlies Zimmer und traf ihn in seiner üblichen Position an, auf dem Bett liegend und in der Bibel lesend, während in seinem Kopfhörer Kirchengesänge erklangen. Er wollte ihn auf sich aufmerksam machen.
    »Ich gehe zu Bett«, sagte er, nachdem Charlie den Kopfhörer abgenommen hatte.
    »Ist noch ziemlich früh, oder?«
    »Ja, aber im Fernsehen läuft nur dieses alte Zeugs. Und ich kann mich nicht überwinden, mir das zum hundertsten Mal anzusehen.«
    Charlie hielt seine Bibel hoch. »Ich habe noch ein Reserveexemplar, falls du interessiert bist. Für mich ist es ein großer Trost, und du siehst im Augenblick so aus, als könntest du den ganz gut gebrauchen.«
    Lyle winkte ab – und das nicht einmal unfreundlich. »Danke, aber ich glaube, heute verzichte ich lieber darauf.«
    »Okay, aber mein Angebot steht.« Charlie setzte sich auf die Kante seines Bettes. »Das mit dem Fernseher ist schon seltsam. Wenn wir davon ausgehen, dass dieses Mädchen in den sechziger Jahren gestorben ist, warum erscheint sie uns dann in den achtziger Jahren?«
    »Keine Ahnung«, sagte Lyle. »Und im Augenblick bin ich viel zu müde, um mir den Kopf darüber zu zerbrechen.« Er gähnte. »Bist du so weit in Ordnung, dass du morgen wieder arbeiten kannst?«
    Charlie starrte ihn an. »Bist du bereit, unseren Kunden eine angemessene Gegenleistung zu liefern?«
    »Was soll das? Zitierst du nicht mehr die Bibel, sondern unseren neuen Freund Jack?«
    Während Lyle Anstalten machte, sich abzuwenden, ergriff Charlie seinen Arm und musterte ihn prüfend.
    »Hat das, was in der letzten paar Tagen passiert ist, dich vielleicht dazu gebracht, deine Meinung über die Existenz einer Macht, die größer ist als du, zu ändern?«
    Lyle wandte den Blick ab. Das war ein uralter Diskussionspunkt zwischen ihnen, aber jetzt hatten die Vorzeichen sich gründlich geändert.
    »Ich gebe zu, dass ich mit einer ganzen Reihe von Phänomenen konfrontiert wurde, für die ich keinerlei Erklärung habe.« Er sah, wie sich Charlies Augen aufhellten, daher redete er schnell weiter, ehe sein Bruder ihn unterbrechen konnte. »Das heißt aber nicht, dass es dafür keine rationale Erklärung gibt. Es heißt lediglich, dass ich nicht über ausreichende Informationen verfüge, um die Erscheinungen zu erklären.«
    Charlie war sichtlich enttäuscht. »Gibst du dich denn niemals geschlagen?«
    »Ich soll vor etwas Irrationalem kapitulieren? Niemals.« Lyle lächelte und hoffte, damit die harte Wirkung seiner Worte zu mildern. »Aber es hat immerhin bewirkt, dass ich im Dunklen Angst habe. Daher hoffe ich, dass du nichts dagegen hast, wenn ich ein paar Lampen eingeschaltet lasse.«
    »Nur zu«, sagte Charlie und setzte seine Kopfhörer wieder auf. Er hielt seine Bibel hoch. »Das ist das einzige Licht, das ich brauche.«
    Lyle winkte und machte kehrt, während ihm der Gedanke durch den Kopf ging, wie tröstlich es sein musste zu glauben, dass die Antworten auf alle Fragen in einem einzigen Buch zu finden seien.
    Während er seinen Bruder um den inneren Frieden beneidete, der ihm dadurch

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