Hochsaison. Alpenkrimi
üblichen Verdächtigen
abgeheftet. Nebenbei: Auch nach dem 11. September hat uns einer gemailt, dass die Anschläge eigentlich hier im Kurort geplant worden sind, und natürlich unter seiner Leitung. Und ich bin dem selbstverständlich nicht nachgegangen.«
»Und wie verläuft der Dienstweg dann weiter?«
»Wenn die Informationen aus den sogenannten Bekennerbriefen schon in den Zeitungen gestanden haben (und das ist bei neunundneunzig Prozent der Schreiben der Fall), dann heften wir sie ab und schaffen sie ins Archiv. Der Staatsanwalt schaut sicherheitshalber noch einmal drüber, ob nicht doch eine Straftat vorliegt – und das wars dann meistens.«
»Aber jetzt fischen wir diese Briefe selbstverständlich wieder raus«, sagte Jennerwein. »Nicole, das ist dann gleich eine Aufgabe für Sie. Sie sehen sich zunächst die Ordner der Polizeidienststelle hier durch, dann setzen Sie sich aber auch mit den außerregionalen Stellen in Verbindung. Fordern Sie alles an, was nach Marder riecht. Maria, Sie bitte ich, all das zu überprüfen, was Schwattke ranschafft, um auf diese Weise ein genaueres Profil zu erstellen.«
Nicole und Maria nickten.
»Ostler und Hölleisen, Sie beide ermitteln in eine ganz andere Richtung. Sie kennen sich hier im Ort aus. Sie kennen die meisten der Alteingesessenen persönlich. Sie überlegen einfach mit dem gesunden Menschenverstand, ganz ohne psychologischen –«
Maria zog die Augenbrauen hoch. »Wollten Sie gerade Schnickschnack oder so etwas sagen?«
»– Hintergrund, welchen im Ort ansässigen Personen so etwas zuzutrauen ist.«
»Nach all dem, was wir gehört haben, ist unser Marder höchstwahrscheinlich ein Einheimischer«, sagte Hölleisen, »er kennt die beiden Utzschneiders.«
»Zumindest behauptet er das«, sagte Jennerwein. »Jetzt zu Ihnen, Stengele«, fuhr Jennerwein fort. »Sie waren doch einmal so etwas wie ein Bergfex.«
»Na ja, in jungen Jahren schon. Ich ahne Übles: Ich muss doch jetzt nicht täglich alle Berggipfel persönlich überprüfen?«
»Nein, ich will auch gar keine Polizeipräsenz auf den Bergen.
Noch nicht. Das bringt so einen Marder eher dazu, woanders umso frischer weiterzumachen. Aber Sie haben doch Beziehungen zum Alpenverein, zur Bergwacht und solchen Organisationen.«
»Ein Allgäuer kommt da kaum dran vorbei.«
»Gut. Können Sie Ihre Kontakte spielen lassen und eine Truppe zusammenstellen, die diese Krottenkopfspitze diskret überwacht?«
»Das ist machbar. Ein, zwei Mann werden da genügen. Sollen die auch fotografieren?«
»Das kann ich natürlich jetzt offiziell nicht bejahen«, sagte Jennerwein. »Aber wenn zwei oder drei Bergwachtler jeden, der auf die Krottenkopfspitze geht, ablichten, nur so zum Spaß, dann kann ich natürlich nichts machen.«
»Hab schon verstanden Chef.«
»Also, an die Arbeit, Bergkameraden! Morgen früh um acht ist Besprechung.«
Das Team trennte sich.
»Soll ich Sie zur Pension fahren, Hubertus?«, fragte Maria.
»Ja, gerne.«
Im Auto saßen sie schweigend nebeneinander. In Jennerweins Hirnzentrum für abwegige Gedanken hatte sich das Wort
Bogenschießen
immer noch nicht ganz aufgelöst, er grübelte in alle möglichen Richtungen, und er war es durchaus nicht gewohnt, vor so einem Rätsel zu stehen. Auch Maria war in Gedanken versunken.
»So etwas habe ich auch noch nicht erlebt«, sagte sie halblaut. »Ein handschriftliches Bekennerschreiben. Hm. Aber irgendetwas an der ganzen Sache, nicht nur das Schreiben, die Schrift und der Stil, auch die restlichen Umstände erinnern mich an etwas. An etwas anderes. Ich weiß bloß nicht,
was
mich
an was
erinnert. Kennen Sie das Gefühl?«
»Nur zu gut.«
»Ich werde darüber nachsinnen.«
»Hier ist das Gästehaus Edelweiß«, sagte Jennerwein. »Holen Sie mich morgen früh wieder ab?«
»Natürlich«, sagte Maria und schaltete den Motor aus.
O nein, dachte Jennerwein, jetzt will sie bestimmt wissen, um was es damals bei dem abgesagten Termin eigentlich ging. Drei Monate waren seitdem verstrichen, und er hatte ihr natürlich immer noch nichts von seinem gesundheitlichen Problem erzählt. Wenn dieser Fall abgeschlossen ist, dachte er, dann gehe ich es an. Dann aber wirklich. Hundertprozentig.
»Gute Nacht«, sagte Maria und schaltete den Motor wieder an.
26
Ein polizeilicher Profiler hat auch ein Privatleben, wahrscheinlich liegt auch er einmal entspannt an einem italienischen Urlaubsbadestrand, ohne die im Wasser Planschenden sofort in
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