Hochsaison. Alpenkrimi
benutzt, plötzlich aber damit herausrückt, ja dann –«
»Lernen nicht die Chinesen auch mehrere Schriften?«, warf Stengele ein. »Oder verwechsle ich das jetzt mit den Koreanern? Eine Alltagsschrift für die laufenden Geschäfte, und eine für Briefe privaten Inhalts?«
Es entstand eine nachdenkliche Pause, in der alle an ihren Getränken nippten.
»Andere Frage«, sagte Schwattke, zu Ostler gewandt. »Ist es ganz sicher, dass die beiden Utzschneiders niemanden oben auf
dem Gipfel gesehen haben? Und dass ihnen auf dem letzten Wegstück auch niemand entgegengekommen ist? Ich meine: Wenn der Gipfelbuchschreiber sie gesehen hat, dann müssen sie ihn doch ebenfalls gesehen haben. »
»Nein, Nicole«, erwiderte Ostler. »Gerade nach diesem Detail haben wir die beiden mehrmals befragt. Sie geben allerdings auch an, nicht so sehr darauf geachtet zu haben. Sie hätten auf den letzten paar hundert Metern, von der Weilheimer Hütte bis zum Krottenkopf-Gipfel, andere Probleme gehabt. Eher konditionelle.«
»Wenn man jetzt aber den Gipfel nach der anderen Seite verlässt wie unser mutmaßlicher Bekenner, wo kommt man da hin?«
»Vom Gipfel aus muss man immer wieder zur Weilheimer Hütte zurück, da gibt es nur einen Weg. Von da aus führen dann allerdings mehrere Routen in die umliegenden Täler.«
»Also hat er sich da oben versteckt, bis die Utzschneiders den Gipfel wieder verlassen haben. Vielleicht hinter ein paar Latschen?«
»Da oben gibt es keine Latschen.«
Nicole Schwattke gab sich immer noch nicht zufrieden.
»Es gibt doch auch die Möglichkeit, dass unser Drohbriefschreiber querfeldein gelaufen und auf keinem der eingezeichneten Bergsteige nach unten gekommen ist.«
»Ja«, sagte Ostler, »möglich ist das schon, aber dann müsste er ein sehr guter Bergsteiger sein, der sich auskennt, der den Krottenkopf schon x-mal gegangen ist. Ich selbst würde es mir nicht zutrauen, es wird dahinten auch sehr schneeig, ohne Schneeschuhe ist es eigentlich nicht mehr zu schaffen – aber theoretisch möglich ist das schon.«
»Und dann gibt es natürlich auch noch eine ganz andere Möglichkeit –«, fuhr Nicole Schwattke fort.
»– die ich auch schon überprüft habe«, unterbrach Ostler sie.
»Ich habe beide Utzschneiders deshalb Handschriftenproben machen lassen. Auch wenn solche Proben vielleicht zu gar nichts führen. Als Maxi und Traudl begriffen haben, aus welchem Grund ich das verlangt habe, waren sie eingeschnappt. Ich hoffe, ich habe die gerade eben erst geknüpften verwandtschaftlichen Beziehungen nicht gleich wieder zerstört.«
»Sie sind verwandt mit denen?«, fragte Maria.
»Das hat sich bei der Befragung herausgestellt, ja. Aber äußerst weitläufig.«
»Ich gehe davon aus, dass wir die Drohung mit weiteren Anschlägen ernst nehmen müssen«, sagte Jennerwein. »Wenn das Ganze allerdings ein Jux ist, dann ist es ein strafrechtlich riskanter Jux. Wenn ich mich recht erinnere, wird hier der § 145 d St GB berührt, das ist die
Vortäuschung einer Straftat
, und für so etwas gibt es bis zu drei Jahre.«
»Wie wäre es mit einem, der sich der Straftat nicht bewusst ist«, wandte Nicole ein. »Wie wäre es zum Beispiel mit einer Gruppe von Jugendlichen, die diese Aktion voll zugekifft durchgezogen hat?«
»Nur so interessehalber«, sagte Stengele. »Kann man voll zugekifft auf den Krottenkopf gehen?«
»Da müsste ich im Wanderführer nachschauen«, entgegnete Ostler trocken. »Der Krottenkopf ist, glaube ich, ein Dreitütenberg.«
»Ich denke«, fuhr Maria fort, »dass sich der mutmaßliche Täter voll und ganz der Reichweite dieses Briefes bewusst ist. Der Mann oder die Frau hat etwas vor. Und ob der Täter mit dem ersten Anschlag etwas zu tun hat oder nicht – er plant einen weiteren Anschlag. Die Oberlängen der Schrift sind – energisch, tatendurstig, willenstark.«
Fängt die schon wieder an, dachte Stengele. Laut sagte er: »Und meinen Sie, er schreibt uns vorher nochmals?«
»Ja, unbedingt. Der eigentliche Reiz für einen Serientäter ist das Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Ich bin mir sicher, dass vor dem Anschlag noch ein Brief kommt.«
»Und das ist wahrscheinlich unsere Chance«, sagte Stengele, »denn der Brief muss ja irgendwo deponiert werden. Die Kommunikation mit der Polizei, das ist die Schwachstelle, mit der der Täter oder die Täterin –«
»Und jetzt reden wir endlich mal von
dem
Täter und nicht dauernd von dem Täter oder der Täterin, Herrgott
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