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Hochzeit des Lichts (German Edition)

Hochzeit des Lichts (German Edition)

Titel: Hochzeit des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Backbord ein dürrer Tag stirbt.
     
    Die Nacht sinkt nicht aufs Meer. Aus den Tiefen des Wassers, das eine schon versunkene Sonne allmählich mit ihrer dichten Asche verdunkelt, steigt sie vielmehr empor zum noch blassen Himmel. Eine kurze Weile bleibt Venus einsam über den schwarzen Fluten. So lange nur, die Augen zu schließen und sie wieder zu öffnen, und die Sterne wimmeln im fließenden Dunkel der Nacht.
     
    Der Mond ist aufgegangen. Er erleuchtet anfänglich nur schwach die Fläche des Wassers, steigt höher und schreibt Zeichen auf die weichen Wellen. Endlich im Zenit, strahlt er eine leuchtende Straße auf das Meer, einen reichen Fluss aus Milch, der mit der Bewegung des Schiffes auf uns niederströmt, unversiegbar im dunklen Ozean. Da ist die Nacht, treu und kühl, die ich rief in den lärmenden Lichtern, im Alkohol und im Aufruhr des Begehrens.
     
    Wir segeln auf so weiten Flächen, dass es scheint, als kämen wir nie zum Ziel. Sonne und Mond gehen auf und tauchen unter, im gleichen Wechsel von Tag und Nacht. Die Tage auf dem Meer gleichen alle den Tagen des Glückes …
    Dieses Leben, das sich gegen das Vergessen sträubt und gegen die Erinnerung, von der Stevenson spricht.
     
    Morgendämmerung. Wir überqueren im rechten Winkel den Wendekreis des Krebses, die Wasser stöhnen und bäumen sich auf. Der Tag erhebt sich über einem unruhigen Meer, voller Stahlgeflimmer. Der Himmel ist weiß vor Dunst und Hitze, mit einem toten Glanz, aber unerträglich, als ob die Sonne flüssig geworden wäre in den dichten Wolken über der ganzen himmlischen Weite. Ein kranker Himmel über einem zersetzten Meer. Je weiter die Stunden fortschreiten, umso größer wird die Hitze in der fahlen Luft. Den ganzen Tag lang stöbert der Vordersteven Fliegende Fische auf, kleine stählerne Vögel in ihren Wellensträuchern.
     
    Am Nachmittag kreuzen wir ein Postschiff, das zu den Städten zurückkehrt. Der Gruß, den unsere Sirenen mit den drei Rufen prähistorischer Tiere austauschen, die Zeichen der Passagiere, die verloren auf dem Meer reisen und durch die Gegenwart anderer Menschen alarmiert sind, die Distanz, die allmählich zwischen den beiden Schiffen zunimmt, die Trennung endlich auf diesen böswilligen Wassern, all dies beklemmt das Herz. Diese hartnäckigen Irren, an Bretter geklammert, auf die Mähne unermesslicher Ozeane geschleudert auf der Suche nach entschwindenden Inseln, wer könnte ihnen seine Liebe verweigern, der auch die Einsamkeit des Meeres liebt?
     
    Mitten im Atlantik beugen wir uns den wilden Winden, die ununterbrochen von einem Pol zum andern fegen. Jeder Schrei, den wir ausstoßen, verliert sich, entfliegt in die grenzenlosen Weiten. Doch dieser Ruf, den die Winde Tag für Tag mit sich weitertragen, wird endlich eines der abgeflachten Enden der Erde erreichen und wird lange an den Eiswänden widerhallen, bis ein Mensch, irgendwo in seine Muschel aus Schnee verloren, ihn vernehme und zufrieden lächle.
     
    Ich lag im Halbschlaf unter der Sonne des frühen Nachmittags, als ich plötzlich durch einen furchtbaren Lärm aufgeschreckt wurde. Ich sah die Sonne auf dem Grund des Meeres, und die Wellen beherrschten den stürmischen Himmel. Plötzlich entbrannte das Meer, die Sonne floss mir in langen, eisigen Strichen in die Kehle. Um mich herum lachten und schrien die Matrosen. Sie liebten sich gegenseitig, aber konnten einander nicht verzeihen. An jenem Tag erkannte ich die Welt, wie sie wirklich ist, und ich beschloss, es hinzunehmen, dass ihr Gutes gleichzeitig bösartig sei und ihre Missetat heilsam. An jenem Tag begriff ich, dass es zwei Wahrheiten gibt und dass die eine davon nie ausgesprochen werden darf.
     
    Der merkwürdige südliche Mond, der etwas angeschnitten ist, begleitet uns einige Nächte hindurch und gleitet dann rasch vom Himmel ins Wasser, das ihn verschluckt. Es bleiben das Kreuz des Südens, die spärlichen Sterne, die poröse Luft. In diesem Moment flaut der Wind ganz ab. Der Himmel rollt und schlingert über unsern unbeweglichen Masten. Mit gedrosseltem Motor und lahmgelegten Segeln pfeifen wir in der warmen Nacht, während das Wasser freundschaftlich unsre Schiffsflanke tätschelt. Kein Befehl, die Maschinen schweigen. Warum auch weiterfahren und warum zurückkehren? Wir sind glücklich, ein stummer Wind schläfert uns unwiderstehlich ein. In einem Tag vollendet sich also alles; man muss sich nur sinken lassen wie jene, die bis zur Erschöpfung schwimmen. Vollenden, aber was? O

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