Hochzeit des Lichts (German Edition)
in zwei anderen Büchern:
Noces,
erschienen 1938 , und
L’été
von 1954 . Der deutschsprachige Leser kennt sie seit vielen Jahren als
Hochzeit des Lichts
und
Heimkehr nach Tipasa.
1 Hochzeiten
Hochzeit des Lichts
versammelt vier Essays, die Camus mit Mitte zwanzig schrieb. So lichte wie profunde, so poetische wie philosophische Impressionen und Exkursionen führen zu Orten, an denen er Schnittstellen von antikem und modernem Leben erkennt. Camus entwirft die Landkarte einer mediterranen Identität: das phönizische Tipasa, die römische Ruinenstadt Djemila, das sommerliche Algier, das »Schauspiel der Schönheit« von Pisa und Florenz, »an die man sich klammert wie an das erwartete Glück, das uns verzaubert und zugleich zugrunde geht«. Nur wenige, wie in die Texte geritzte, dunkle Sätze lassen den Zusammenbruch erahnen, den der junge Autor durchlebt hat und im leichtfüßigen Rausch seiner Prosa in einen Aufbruch verwandelt.
Noces
– eigentlich sind das Hochzeiten, und tatsächlich handeln die vier Essays nicht nur von der Vermählung des Lichts mit der Erde und ihren Bewohnern, sondern von der Vielfalt der Verbindungen, die jeder eingeht und die den Reichtum des Lebens ausmachen. Hochzeit und Ehe waren für Camus, als er
Noces
schrieb, gleichbedeutend mit Trauma und Krise. 1934 hatte er seine erste Frau geheiratet. Auf einer gemeinsamen Kajakreise durch Mitteleuropa im Olympiade-Sommer 1936 erfuhr er in Salzburg, dass Simone trotz mehrerer Entziehungskuren weiterhin Morphium nahm und sich seit Längerem mit Ärzten einließ, um das Rauschgift zu beschaffen. Allein reiste er weiter nach Dresden und Prag, dann zurück in die Sonne: »Sich selber zu vergessen in dieser rauschhaften Schönheit Italiens, die uns von der Hoffnung befreit und unsere Geschichte vergessen lässt«, heißt es im abschließenden Essay
Die Wüste.
»Impressionen am Rande der Wüste« lautet der Untertitel von
Hochzeit des Lichts.
Für Camus ist Wüste kein geografischer Begriff. Die Wüste ist Schmelztiegel. Außen und Innen, Lebensbedrohliches und Lebendigkeit Stiftendes stürzen ineinander, um ein Terrain zu bilden, das Absurdität in Sinnlichkeit und Sinnleere in Erfüllung verwandelt. Es ist dasselbe so paradox leere und zugleich erfüllte Reich, in dem wenige Jahre später der Sisyphos aus dem berühmten Mythos-Essay erkennt, dass es ihn zum glücklichen Menschen macht, immer wieder neu seinen Fels einen Berghang hinaufzuwälzen, nur damit er ihm kurz vorm Gipfel aus den Händen rutscht. Für den, der in dieser »sonderbaren Wüste« zu leben vermag, ohne je seinen Durst zu verleugnen, sprudeln aus ihrer Kargheit »die lebendigen Quellwasser des Glücks«.
Es ist kein Zufall, wenn der junge Meursault, der in
Der Fremde
einen Araber erschießt, kurz zuvor mit seiner Freundin im Meer schwimmen geht und dabei zum ersten Mal den Gedanken fasst, sie zu heiraten. Für ihn endet der Hitzetag am Strand mit Schüssen, die ihm wie »kurze Schläge an das Tor des Unheils« erscheinen. Die Unschuld, die der ins Bodenlose Stürzende verliert, kannte Camus aus der eigenen Jugend an Algiers Stränden. Sätze, die zu seinen fulminantesten zählen, schildern dieses unvergessene Glück in
Hochzeit in Tipasa,
dem ersten Essay der
Hochzeit des Lichts:
»Nackt muss ich sein und muss dann, mit allen Gerüchen der Erde behaftet, ins Meer tauchen, mich reinigen in seinen Salzwassern und auf meiner Haut die Umarmung von Meer und Erde empfinden, nach der beide so lange schon verlangen. Und dann der Schock im Wasser, das Steigen der dunkelkalten klebrigen Flut; das Untertauchen und das Sausen in den Ohren, die strömende Nase und der bittere Mund; das Schwimmen, die wasserglitzernden Arme, die auftauchend sich in der Sonne bräunen und mit einer Drehung aller Muskeln wieder eintauchen ins Meer; das über meinen Leib hinströmende Wasser; der schäumende Tumult, den meine Füße entfesseln – und der verschwundene Horizont.«
Hier geht es weder um Sport noch plumpen Hedonismus, weder um die Feier der Körperlichkeit noch das Einssein mit den Elementen. Camus fordert, den Konflikt auszuhalten, den moderner Nihilismus und zeitloses Verlangen nach Sinn in eine unlösbare Spannung gebracht haben. Nur so entwickelt sich ein tätiges Gefühl für die Absurdität des Daseins: »Das Absurde hängt ebenso sehr vom Menschen ab wie von der Welt. Es ist zunächst das einzige Band zwischen ihnen«, heißt es in
Der Mythos von Sisyphos.
Von sich und seinen Lesern
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