Hochzeit in St. George (German Edition)
ermutigte, sich gegen sie aufzulehnen. Und sie dachte auch nicht im Traum daran, sich den Mühen auszusetzen, ein junges Mädchen in die Gesellschaft einzuführen. Noch dazu ein Mädchen, das viel hübscher war, als sie je gewesen ist und das bei weitem mehr Anklang finden würde. Sie hatte längst beschlossen, Catharine zu verheiraten. Und zwar so rasch wie möglich und an einen Mann, der sie von London fernhielt.
Catharine hatte nie erfahren, wo Esther Roger kennengelernt hatte, noch, ob ihr Bruder in die Pläne seiner Frau eingeweiht gewesen war. Sie hatte sich darüber oft den Kopf zerbrochen. Sie konnte es einfach nicht glauben, daß ihr Bruder, der liebenswürdige, etwas unbeholfene Henry, eine derartige Idee gutgeheißen haben konnte. So kam es, wie es kommen mußte. Roger ging im Haus am Hanover Square ein und aus. Er war ein stets gern gesehener Gast, hatte Catharine ins Theater und in Konzerte geführt. Und auf dem ersten Ball, den sie besuchen durfte, tanzten die beiden zwei aufeinanderfolgende Tänze miteinander. Damit war für erfahrene Beobachter klar, daß sich die hübsche Tochter des Herzogs von Milwoke für den vornehmen, aber verarmten Emigranten Roger de la Falaise entschieden hatte, noch bevor ihre erste Saison richtig begann. Was die Beobachter nicht wußten und was Catharine nicht im entferntesten ahnte: Roger war bereits verheiratet. Nicht glücklich allerdings. Seine Frau Jeanette war nicht mit nach England gekommen, sondern im Landhaus des Onkels ihres Gatten in der Normandie zurückgeblieben.
Roger hatte seine eigenen Gründe, Catharine nicht in seine Familienverhältnisse einzuweihen. Statt dessen fragte er sie eines Abends, ob sie ihn heiraten wollte. Es war ein sternenklarer Frühsommerabend gewesen, nur der Vollmond hatte die abendliche Stille erleuchtet. Catharine erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen. Und sie erinnerte sich daran, mit welch ehrlich empfundener Freude sie den Antrag angenommen hatte. Ihr Vater war zwar traurig gewesen, seine geliebte Tochter schon so bald zu verlieren. Und doch wollte er sich ihrem sehnsüchtigsten Wunsch nicht widersetzen. Die Hochzeit wurde im kleinen Rahmen in der St.-George-Kirche am Hanover Square gefeiert, direkt gegenüber ihrem Elternhaus. Roger hatte darum gebeten. Er wollte kein Aufsehen erregen. Schließlich lag England mit seinem Heimatland im Krieg. Auch wenn er als Mitglied des alten Hochadels vor dem Regime des korsischen Ungeheuers Napoleon geflohen war, würden doch ihm als Franzosen viele Leute nicht mit Wohlwollen begegnen.
So waren nur ihr Vater und Henry als die beiden Trauzeugen anwesend. Und natürlich Esther. Mit einem triumphierenden Lächeln auf ihren schmalen Lippen saß sie in der ersten Reihe des leeren Kirchenschiffes. Catharine hatte dieses Lächeln wohl bemerkt, doch sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Daß der Pfarrer sie fragte, ob sie bereit war, Gervais Roger de la Falaise zu ihrem Ehemann zu nehmen, ihn zu lieben, ihm zu gehorchen und ihn zu achten, bis daß der Tod sie scheide, hatte sie nicht weiter verwunderlich gefunden. Ihre beste Freundin aus dem Institut für höhere Töchter, das sie besucht hatte, hieß auch Anne Sophia und wurde doch von allen Sophia gerufen. Warum sollte daher nicht auch Roger einen anderen ersten Vornamen haben?
Die Trauungszeremonie war rasch vorüber, die Heiratsurkunden für Gervaise Roger und Catharine ausgestellt. Und schon standen die Kutschen bereit, die das junge Paar nach Dover bringen sollten. Rogers Plan, seine Braut nach Frankreich zu bringen, war ihr anfangs unverständlich erschienen. War nicht Roger erst kürzlich aus dem Lande seiner Väter geflohen? Papa war alles andere als begeistert von diesem Gedanken. Viel zu riskant war dieses Unternehmen, eine zu große Gefahr für seine einzige Tochter. Doch Roger hatte nicht lokkergelassen. Er kenne alle Wege, seine geliebte Braut unbeschadet in die Normandie zu bringen. Und auf La Falaise sei sie vor jeder Gefahrsicher. Er jedoch spüre das innere Verlangen, seine Braut seinem Onkel vorzustellen. Ohne den Segen des Familienoberhauptes war für ihn die Ehe nicht richtig geschlossen. Catharine lachte bitter auf: den Segen seines Onkels! Wie hatten sich nur alle so täuschen lassen können? Für Roger hatte keinerlei Segen auch nur die geringste Bedeutung. Ihr Vater hatte schweren Herzens die Zustimmung zur Abreise gegeben.
Der Schock, der Catharine in Frankreich erwartete, war groß. Es dauerte nicht lange, und
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