Hochzeit nach Plan B (German Edition)
Verdacht, dass Thomas mir gezielt aus dem Weg ging. Anscheinend war ihm unser Zusammentreffen genauso unangenehm gewesen wie mir.
»Frau Winkler, hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich?«, fragte Berschmann, nachdem er an meinen Schreibtisch getreten war.
Ich blickte auf.
Mist! Jetzt hatte ich gerade eine so originelle Formulierung im Sinn gehabt, doch dank der Unterbrechung war sie schon wieder weg.
Berschmanns ungewohnt höflicher Tonfall machte mich stutzig. Er musste etwas ungeheuer Wichtiges zu besprechen haben, wenn er nicht wie gewohnt lospolterte.
Also setzte ich mein – lange vor dem Spiegel geübtes – professionelles Lächeln auf. »Ja? Was gibt es denn?«
Ganz gegen seine Gewohnheit zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber vor meinen Schreibtisch. Langsam wurde mir mulmig zumute. Was konnte er von mir wollen? Meine Idee mit der Mafia-Verbindung und den Betonschuhen fiel mir wieder ein. Aber das war natürlich vollkommener Unsinn, beruhigte ich mich selbst. Oder doch nicht?
»Nun, Frau Winkler, wie Sie wissen, bin ich ja nicht mehr der Jüngste«, begann Berschmann.
Sofort regte sich wieder mein Reflex zu widersprechen, aber der Makler wischte ihn mit einer kurzen Handbewegung weg. An meinem Höflichkeitsdrang musste ich ganz dringend noch arbeiten.
Berschmann holte tief Luft, bevor er weitersprach. Anscheinend fiel es ihm auch nicht ganz leicht, und das machte mich umso unruhiger. Nervös begann ich, auf meinem Stuhl herumzurutschen.
»Ich habe jetzt mehrere Jahrzehnte in diesem Beruf zugebracht, und glauben Sie mir, ich weiß, wohin der Hase läuft. Aber irgendwann muss es auch mal genug sein. Oder um es volkstümlich auszudrücken: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.«
Ich sah den Makler verständnislos an. Fing er jetzt etwa auch an, mit unpassenden Sprichwörtern um sich zu werfen, wie Erwin das immer tat?
Doch dann wurde mir schlagartig klar, was er mir sagen wollte.
Ich taumelte etwas. Hamburg musste eindeutig doch ein erdbebengefährdetes Gebiet sein, denn mir riss es gerade den Boden unter den Füssen weg. Hätte ich nicht gesessen, wäre ich vermutlich umgefallen. So aber hielt ich mich krampfhaft an der Schreibtischkante fest.
»Sie wollen aufhören? Das Büro schließen?«, flüsterte ich entsetzt.
Berschmanns Lächeln war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. »So ist es. Ich finde, ich habe mir noch ein paar ruhige Jahre verdient.«
Sicher hatte er das, aber das musste doch nicht gleich sein. So in zehn, fünfzehn Jahren war doch auch noch Zeit dafür.
»Natürlich will ich nicht sofort aufhören«, fuhr Berschmann fort.
Ich sah ihn erstaunt an. Langsam wurde er mir unheimlich. Anscheinend war mein Chef nicht nur ein exzellenter Menschenkenner, sondern konnte zudem Gedanken lesen. Ich merkte, dass ich mich wieder ein wenig entspannte. Ich wäre also nicht sofort arbeitslos.
Meine Entspannung hielt aber nicht lange an. Denn schon im nächsten Satz offenbarte sich das ganze Ausmaß der Katastrophe.
»Bis Ende des Jahres werde ich wohl noch weitermachen«, schloss Berschmann mit selbstzufriedenem Grinsen.
»Aber ... aber ...«, wandte ich ein. Langsam nahm das Fischsyndrom bei mir wirklich überhand. Vielleicht war es an der Zeit, mal einen Tierarzt aufzusuchen?
»Ja?« Mein Chef schien überhaupt keine Ahnung zu haben, in welche Lage er mich brachte.
»Aber ich brauche den Job«, schaffte ich es endlich, den Satz zu vollenden. »Sie wissen, dass ich sonst kaum eine Chance habe. Ohne Zeugnisse und mit kaum Berufserfahrung stellt mich doch niemand ein.«
Berschmann lächelte süffisant. »Niemand außer mir, meinen Sie wohl.«
»Ja«, seufzte ich unglücklich. »Dass Sie mich genommen haben, war für mich ein riesiger Glücksfall. Und soviel Glück werde ich bestimmt nicht noch einmal haben.«
Mein Chef lächelte immer noch. Langsam bekam ich den Eindruck, dass er die Situation geradezu genoss. Steckte da etwa ein verkappter Sadist in ihm? So kannte ich ihn gar nicht.
»Sie finden das ja vielleicht amüsant. Aber für mich geht es um die nackte Existenz«, blaffte ich ihn an.
Sein Grinsen wurde nur noch breiter. »Nun stellen Sie Ihr Licht mal nicht unter den Scheffel. Sie haben in der kurzen Zeit, in der Sie jetzt hier sind, doch so viel gelernt. Da wird sich schon eine Lösung finden.«
»Sicher, zur Not gibt es ja immer noch eine Parkbank zum Übernachten«, knurrte ich. Als sich daraufhin Berschmanns Grinsen noch weiter
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