Hochzeit zu verschenken
panisch durch die Geschäfte stürzte und Ersatzgeschenke kaufte. Am Morgen des ersten Feiertages sind wir auf einen Drink hoch zu Danny und Randall gegangen - und trafen Danny in dem seidenen Morgenmantel an, den ich für Elinor gekauft hatte, und mit der halb leer gefutterten Pralinenschachtel neben sich, die für meine Kollegin Samantha gedacht war.
»Hey, sag mal, was hättest du denn an meiner Stelle gedacht?«, verteidigt er sich. »Es war Weihnachten, die Sachen waren als Geschenke eingepackt... Da dachte ich: Ja, Daniel, es gibt doch einen Weihnachtsmann...« Er greift nach der Martini-Flasche und schmeißt ein paar Eiswürfel in den Cocktailshaker. »Stark? Oder extra stark?«
»Danny, ich muss jetzt wirklich mal telefonieren. Ich komme gleich wieder.«
Ich stöpsele das Telefon aus, nehme es mit ins Schlafzimmer, schließe die Tür hinter mir und versuche, mich zu sammeln.
Okay. Ich schaffe das schon. Ganz ruhig. Ganz beherrscht. Ich wähle die Nummer meiner Eltern und höre es mit Grauen mehrmals tuten.
»Hallo?«, meldet sich eine blechern klingende Stimme.
»Hallo?«, entgegne ich verwirrt. Ich weiß, dass es sich um ein Ferngespräch handelt - aber das ist garantiert nicht Mums Stimme.
»Becky! Ich bin‘s, Janice! Wie geht es dir, liebes?«
Das ist doch bizarr. Habe ich aus Versehen bei unseren Nachbarn angerufen?
»Mir geht‘s... gut.«
»Prima! Hör mal, wo ich dich gerade an der Strippe habe, möchtest du lieber Evian oder Vittel?«
»Vittel«, sage ich ganz automatisch. »Janice -«
»Sehr schön. Und was für ein Mineralwasser? Heutzutage trinken ja so viele Leute Wasser, weil sie noch nach Hause fahren müssen und so. Was hältst du von Perrier?«
»Ich... ich weiß nicht. Janice -« Ich hole tief Luft. »Ist Mum da?«
»Ja, wusstest du das denn nicht, Liebes? Deine Eltern sind weggefahren! In den Lake District!«
Abgrundtiefe Enttäuschung. Wie konnte ich nur vergessen, dass sie in den Lake District fahren wollten?
»Ich bin nur kurz rübergekommen, um die Pflanzen zu gießen. Wenn es dringend ist, kann ich eben die Nummer holen, unter der sie zu erreichen sind -«
»Nein, ist... ist schon gut.«
Die Enttäuschung weicht und macht ganz langsam aufkommender Erleichterung Platz. Das heißt, ich komme erst mal drum herum. Ich meine, ist ja schließlich nicht meine Schuld, dass sie weg sind, oder?
»Bist du sicher?«, fragt Janice. »Wenn es wichtig ist, kann ich schnell die Nummer holen, kein Problem...«
»Nein, wirklich, ist schon gut! War nicht wichtig«, höre ich mich sagen. »War schön, deine Stimme zu hören, Janice... Bye!« Ich knalle den Hörer auf die Gabel und zittere ganz leicht.
Nur noch ein paar Tage. Was machen schon ein paar Tage?
Ich gehe zurück ins Wohnzimmer, wo Danny auf dem Sofa liegt und zappt.
»Alles okay?«, fragt er und hebt den Kopf.
»Ja«, sage ich. »Wie war das mit dem Drink?«
»Ist im Shaker«, sagt er und nickt in Richtung Cocktailschrank. Im gleichen Moment geht die Wohnungstür auf.
»Hi!«, rufe ich. »Bist du‘s, Luke? Du kommst genau rechtzeitig für einen -«
Mir bleibt das Wort im Halse stecken, als Luke ins Wohnzimmer kommt. Entsetzt sehe ich ihn an. Er ist wachsbleich, seine Wangen sind wie eingefallen, und seine Augen sind noch dunkler als sonst. So habe ich ihn noch nie gesehen.
Danny und ich sehen einander an, und mir wird ganz anders vor Angst.
»Luke!«, schlucke ich. »Geht‘s dir gut?«
»Ich habe versucht, dich bei der Arbeit anzurufen«, sagt er. »Da warst du nicht. Und zu Hause nahm auch niemand ab.«
»Dann war ich wohl auf dem Weg nach Hause.« Vorsichtig gehe ich einen Schritt auf ihn zu. »Was ist passiert, Luke? Ärger in der Firma?«
»Michael hatte einen Herzinfarkt.«
9
Michael liegt im dritten Stock eines großen Krankenhauses in Washington. Schweigend marschieren wir die Flure entlang und starren geradeaus. Letzte Nacht haben wir beide nicht besonders gut geschlafen - ich bin mir nicht mal sicher, ob Luke überhaupt ein Auge zugetan hat. Er redet nicht viel, aber ich weiß genau, dass er von Schuldgefühlen zerfressen ist.
»Er hätte tot sein können«, sagte er letzte Nacht, als wir wach nebeneinander im Dunklen lagen.
»Ist er aber nicht«, sagte ich und nahm seine Hand.
»Aber er hätte es sein können.«
Und das stimmt. Er hätte tot sein können. Und jedes Mal, wenn ich daran denke, krampft sich mein Magen ganz furchtbar zusammen. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand, der mir so nahe
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