Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
kann man sie ausnützen.«
»I ch habe das Abkommen gelesen. Es stand nichts Zweideutiges darin«, sagte ich. »A ußer dass der Frieden nur bis zu meiner Krönung dauern wird. Was ist, wenn ich nie gekrönt werde?«
»A usgeschlossen. Du musst Königin werden«, sagte Finn und hob einen Papierstapel hoch.
»A ber wenn ich auf die Krone verzichte, würde das den Frieden doch dauerhaft machen«, sagte ich.
»D as bezweifle ich«, sagte Tove. »D er König würde irgendwann eine Möglichkeit finden, den Vertrag zu umgehen, und er wäre noch viel wütender auf uns, wenn wir ihn auf diese Art verschaukelt hätten.«
»A ber…« Ich verstummte. »E r wird also auch eine Verlängerung irgendwie außer Kraft setzen, stimmt’s? Warum macht ihr euch denn dann die Mühe?«
»E ine Verlängerung ist nicht unser eigentliches Ziel.« Tove schaute mich direkt an. »D as ist nur der erste Schritt. Das eigentliche Ziel ist es, eine Möglichkeit zu finden, den gesamten Konflikt zu beenden.«
»G laubst du, dass es die gibt?«, fragte ich.
»D er König versteht nur die Sprache der Gewalt«, warf der Kanzler ein. »W ir müssen ihn so bald wie möglich mit vollem Einsatz angreifen.«
»D as haben wir doch schon versucht«, fuhr Tove entnervt auf. »I mmer und immer wieder! Der König ist gegen unsere Attacken immun. Wir können ihm nichts anhaben.«
Als Tove das sagte, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Bei unserem Gespräch hatte Tove gesagt, nur er, Elora und ich seien stark genug, um Loki festzuhalten, und er sei nicht einmal sicher, dass wir fähig gewesen wären, ihn zu töten.
Der König war sogar noch stärker als Loki.
Bisher hatte niemand die Kraft gehabt, ihn aufzuhalten. Elora war nicht stark genug, und Tove war zu unkonzentriert. Aber es gab jemanden, der die Stärke des Königs mit Eloras Macht verband: mich.
»I hr wollt, dass ich den König töte«, sagte ich langsam. »I hr wollt den Waffenstillstand verlängern, um mir mehr Vorbereitungszeit zu erkaufen.«
Tove und Finn wichen meinem Blick aus, also wusste ich, dass ich recht hatte. Sie erwarteten, dass ich meinen Vater tötete.
25
Wie im Märchen
T homas holte ein dickes Buch aus dem Regal und legte es mit einem dumpfen Knall auf dem Tisch ab. Staub stieg von dem Lederumschlag auf. Tove hatte so versunken beiseitegeblickt, dass er erschrocken zusammenfuhr.
»D as könnte helfen«, sagte Thomas. »A ber es ist in tryllischer Schrift verfasst.«
»W as ist das?«, fragte ich eifrig, um das Gespräch auf etwas zu lenken, das mit Vatermord nichts zu tun hatte.
»D ie alte Tryll-Sprache«, erklärte Finn und zeigte auf die Dokumente, die mit den mir unbekannten Schriftzeichen bedeckt waren. »N ur Tove kann sie einigermaßen gut lesen.«
»E s ist eine tote Sprache«, sagte der Kanzler. »I ch weiß nicht, wie man sie überhaupt lernen kann.«
»S o schwierig ist es nicht.« Tove griff nach dem Buch und öffnete es. Ein muffiger Geruch stieg von den Blättern auf. »I ch kann es dir beibringen, wenn du willst.«
»D as wäre gut«, sagte ich dankbar. »A ber nicht jetzt. Wir suchen doch nach einer Möglichkeit, den Waffenstillstand zu verlängern, richtig? Kann ich helfen?«
»S chau diese Dokumente da durch.« Finn musterte den Tisch und reichte mir dann einen dünnen Stapel. »S uch nach Verträgen oder Abkommen zu Waffenstillständen, auch solche, an denen die Vittra nicht beteiligt sind. Das kann uns alles helfen.«
Tove setzte sich in einen Klubsessel und begann, in dem dicken Wälzer zu lesen. Ich setzte mich mit meinem Papierstapel auf den Boden und machte mich daran, in den Juristenjargon der Tryll einzutauchen. Er bestand hauptsächlich aus Rätseln und vierzeiligen Gedichten. Das meiste war kaum verständlich, und ich musste ständig um Interpretationen bitten.
Ich kam mir allerdings gleich nicht mehr so dumm vor, als Tove Finn zu sich rief und ihn fragte, was eine bestimmte Passage zu bedeuten hatte. Finn beugte sich über den Sessel und betrachtete die bewusste Seite, und die beiden diskutierten über den Inhalt.
Ich fand es seltsam, dass Finn und Tove sich so gut verstanden. Wenn ich mit einem Typen flirtete, verwandelte sich Finn in einen eifersüchtigen Freak, aber dass ich mit Tove verlobt war, schien ihm nichts auszumachen.
Finn schaute von dem Buch auf und unsere Blicke trafen sich einen Augenblick lang, bevor er wieder wegschaute. Ich erkannte in seinen Augen eine Sehnsucht, die ich vermisst hatte, und ich
Weitere Kostenlose Bücher