Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
ch erwarte nicht, dass du uns mit offenen Armen begrüßt, denn Elora hatte ja bereits die Chance, dich gegen uns aufzuhetzen. Aber ich möchte, dass du ein paar Tage lang unser Königreich kennenlernst, bevor du die Entscheidung triffst, wo du regieren willst.«
»U nd wenn ich mich gegen euch entscheide?«, fragte ich und schaute ihm fest in die Augen.
»S chau dich erst einmal um«, schlug Oren vor. Er lächelte, aber seine Stimme war eisig.
»L ass meine Freunde frei«, platzte ich heraus. Eigentlich war ich ja nur aus diesem Grund zur Audienz gegangen, aber dieses Gerede über Vater und Tochter hatte mich abgelenkt.
»L ieber nicht«, sagte er mit diesem seltsamen Lächeln.
»I ch bleibe nur, wenn du sie freilässt«, sagte ich, so bestimmt ich konnte.
»N ein. Solange ich sie hier habe, wirst du nicht flüchten.« Seine raue Stimme verlieh seinen Worten noch mehr Nachdruck. »S ie sind meine Versicherung. Nur so kann ich davon ausgehen, dass du mein Angebot sehr ernst nimmst.«
Er lächelte mich an, als würde das die verschleierte Drohung ungeschehen machen, aber sein Lächeln wirkte so boshaft, dass es mir nur noch mehr Angst einjagte. Meine Nackenhärchen stellten sich auf, und es fiel mir immer schwerer zu glauben, dass dieser Mann wirklich mein Vater sein sollte.
»I ch verspreche dir, ich gehe nirgendwohin.« Ich versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. »W enn du sie freilässt, bleibe ich, solange du willst.«
»I ch lasse sie frei, sobald ich dir das glauben kann«, entgegnete er durchaus vernünftig. Ich schluckte heftig. Womit konnte ich noch verhandeln? »W er sind denn diese Leute, um die du dir solche Sorgen machst?«
»Ä h…« Ich überlegte, ob ich ihn anlügen sollte, aber er wusste ja bereits, dass sie mir etwas bedeuteten. »M ein Bruder Matt oder genauer gesagt mein… Gastbruder. Und Rhys, mein Mänsklig.«
»D as machen die immer noch?« Oren zog missbilligend die Augenbraue hoch. »E lora hasst wirklich jede Form von Veränderung. Sie weigert sich, von ihren Traditionen abzulassen, deshalb sollte mich das eigentlich nicht schocken. Aber es ist so veraltet.«
»W as?«
»D ie Sache mit den Mänsklig. Eine reine Verschwendung von Ressourcen«, winkte Oren ab.
»W as meinst du damit?«, fragte ich. »W as macht ihr denn mit den Babys, die ihr mitnehmt, wenn ihr eure Changelings zurücklasst?«
»W ir nehmen sie nicht mit«, sagte er. Mir drehte sich der Magen um. Töteten sie etwa die Säuglinge, wie ich es früher von den Tryll befürchtet hatte? »W ir lassen sie in menschlichen Kranken- oder Waisenhäusern zurück. Uns ist es egal, was aus ihnen wird.«
»U nd warum machen die Tryll das nicht?«, fragte ich. Ehrlich gesagt, war die Vittra-Methode wirklich nicht völlig hirnrissig, wenn ich darüber nachdachte. Viel einfacher und billiger.
»F rüher nutzten sie sie als Arbeitssklaven, und inzwischen werden sie nur noch aus Tradition aufgenommen.« Oren schüttelte den Kopf, als halte er davon überhaupt nichts.
»A ber das ist auch egal.« Oren stieß hörbar die Luft aus. »W ir geben unsere Kinder nur noch sehr selten in menschliche Obhut.«
»E hrlich?«, fragte ich. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich in einer Sache seiner Meinung sein könnte.
»C hangelings können verletzt werden, spurlos verschwinden oder uns ablehnen«, erklärte Oren. »E s ist eine Verschwendung von Nachkommen und zerstört unser Erbe. Wir sind viel mächtiger als die Menschen. Wenn wir etwas wollen, können wir es uns einfach nehmen. Wir haben es nicht nötig, unsere Kinder ihren ungeschickten Händen auszusetzen.«
Das war zwar ein schlüssiges Argument, aber seine Einstellung gefiel mir auch nicht besser als Eloras. Sie praktizierte Trickbetrug, und Oren schlug stattdessen Diebstahl vor.
»S ie hat sich geweigert, neue Wege einzuschlagen.« Sein Gesicht verdüsterte sich, wenn er von Elora sprach. »S ie ist so besessen davon, den Trollen Unabhängigkeit zu verschaffen, dass sie ihr Leben in die Hände von Menschen legt. Wie paradox das ist, merkt sie gar nicht. Für sie war es einfach so, als würden Kindermädchen ihre Nachkommen großziehen.«
»D abei ist es etwas völlig anderes«, sagte ich.
Ich dachte an meine Kindheit, an meine Gastmutter, die versucht hatte, mich umzubringen, und an meine Bindung zu Matt. Ein Kindermädchen würde niemals so viel Liebe für ein ihr anvertrautes Kind empfinden.
»G enau.« Oren schüttelte den Kopf. »U nd
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