Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
a, er wird dir sicherlich alles sagen«, antwortete Sara, den Blick starr zu Boden gerichtet.
Ich beschloss mitzuspielen. Wenn auch der König mir auswich, würde ich einfach abhauen. Ich hatte keine Lust mehr, meine Zeit mit vagen Antworten und ausweichenden Formulierungen zu verschwenden. Matt und Rhys waren im Kerker eingesperrt, und Rhys konnte sich nicht einmal hinsetzen.
Aber ich durfte es mir mit meinen Entführern auch nicht verscherzen, denn ich wollte sie ja schließlich dazu überreden, Matt und Rhys freizulassen. Und wenn das bedeutete, dass ich dafür ein dummes Kleid anziehen musste, dann würde ich das eben tun.
Ich zog mich hinter dem Paravent um, während Sara sich fertig machte. Sie wählte eine der Halsketten aus, die der Kobold auf dem Tisch liegen gelassen hatte, und öffnete ihr Haar. Es war glatt und schwarz und fiel ihr seidenglatt den Rücken hinunter, ähnlich wie bei Elora.
Ich fragte mich, was meine Mutter wohl gerade tat. Würde sie eine Rettungsmission anordnen? Hatte sie überhaupt gemerkt, dass ich entführt worden war?
Als ich das Kleid angezogen hatte, wollte Sara die losen Bänder auf dem Rücken zu Schleifen binden, aber ich ließ es nicht zu. Sie hatte bereits die Hand ausgestreckt, und als ich sie anzischte, sie solle mich nicht anfassen, schaute sie mich geschockt und tieftraurig an. Ihre Hand verharrte mitten in der Bewegung, und Sara wirkte, als könne sie nicht glauben, was da eben geschehen war. Dann ließ sie die Hand sinken und nickte.
Ohne ein weiteres Wort führte sie mich den Flur entlang, an dessen Ende wir vor einer großen Flügeltür stehen blieben, die der zu ihrem Zimmer bis aufs Haar glich. Sie klopfte, und während wir auf eine Antwort warteten, strich sie wieder ihren schwarz-roten Spitzenrock glatt. Er war bereits faltenlos, also handelte es sich wohl eher um einen nervösen Tick.
»H erein«, dröhnte eine laute, raue Stimme aus dem Raum hinter der Tür.
Sara nickte, als könne der Sprecher sie sehen, und schob dann die Tür auf.
Genau wie alle anderen Räume, die ich bisher gesehen hatte, war auch dieses Zimmer fensterlos und die Wände mit dunklem Mahagoni getäfelt. Hohe Bücherregale säumten eine Seite, daneben stand ein massiger Holzschreibtisch. Die einzigen anderen Möbel waren ein paar elegante rote Sessel.
Der größte, dessen Holzfüße mit prächtigen Schnitzereien verziert waren, stand direkt vor uns. In ihm saß ein Mann, dessen braunes Haar ihm bis auf die Schultern fiel. Er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet– Anzughose, Hemd und eine lange Jacke. Der Mann war auf verwegene Art gut aussehend und schien Mitte vierzig zu sein.
Loki, der ebenfalls in einem Sessel gesessen hatte, stand auf, als wir den Raum betraten. Froud, der kleine Hund, war nirgends zu sehen, und ich hoffte, sie hatten ihn nicht bei lebendigem Leib verspeist oder sonst etwas Schreckliches mit ihm gemacht.
»A h, Prinzessin.« Der König lächelte, als er mich sah, blieb aber sitzen. »L oki, du darfst dich entfernen.«
»D anke, Majestät.« Loki verbeugte sich und verließ eilig das Zimmer. Ich hatte den Eindruck, dass er sich in der Gesellschaft des Königs sehr unwohl fühlte, und das machte mich nur noch nervöser.
»E rklären Sie mir jetzt endlich, was hier los ist?«, fragte ich den König direkt, und sein Lächeln wurde breiter.
»W ahrscheinlich sollten wir mit etwas ganz Simplem anfangen«, sagte er. »I ch bin der König der Vittra. Mein Name ist Oren und ich bin dein Vater.«
6
Könige und Bauernopfer
M ein erster Gedanke war naheliegend: Er lügt.
Doch sofort folgte die Frage: Und wenn er die Wahrheit sagte?
Elora war ganz offensichtlich eine schreckliche Mutter, der ich ziemlich egal war. Ich dachte daran, wie Sara vor ein paar Minuten liebevoll mein Kleid gestreichelt und gesagt hatte: »I ch habe so lange von diesem Tag geträumt.«
Sara stand neben mir und rang nervös die Hände. Als ich sie ansah, erwiderte sie meinen Blick zum ersten Mal und lächelte hoffnungsvoll, aber in ihrem Gesicht stand immer noch eine Trauer, die ich nicht verstand.
Ich sah ihr genauso wenig ähnlich wie Elora. Beide waren unendlich viel schöner als ich, aber Sara schien viel jünger zu sein, ungefähr Anfang dreißig.
»H eißt das…« Ich schluckte, drehte mich zu Oren um und zwang meinen Mund, zu arbeiten. »H eißt das, Elora ist nicht meine Mutter?«
»N ein. Leider ist Elora deine Mutter«, sagte er mit einem abgrundtiefen Seufzer.
Das
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