Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
Tove biss noch einmal in seinen Orangenschnitz, zog dann eine Grimasse und warf den Rest in den Kamin. Er rieb sich die Hände an seiner Hose trocken und sah sich um.
Er wirkte heute besonders zerstreut, und ich fragte mich, ob der Palast wohl zu viel für ihn war. Zu viele Menschen mit zu vielen Gefühlen auf zu engem Raum. Sonst verbrachte er höchstens ein paar Stunden am Stück hier.
»W eißt du, warum die Vittra und die Tryll sich bekriegen?«, fragte ich.
»N ein. Aber ich glaube, ursprünglich ging es um eine Frau.«
»E hrlich?«
»I st das nicht immer so?« Seufzend stand er auf, ging zum Kaminsims und schob die Figürchen aus Elfenbein und Holz hin und her, die darauf standen. Mal mit den Fingern, mal mit seinen Gedanken. »I ch habe gehört, dass die schöne Helena eine Tryll gewesen sein soll.«
»I ch dachte, die schöne Helena sei nur eine Sagenfigur«, sagte ich.
»G enau wie Trolle.« Tove hob ein Figürchen an, das einen Schwan aus Elfenbein darstellte, der von hölzernem Efeu umrankt war. Er berührte es vorsichtig, als habe er Angst, es zu beschädigen. »W er kann schon sagen, was wirklich ist und was nicht?«
»U nd was heißt das? Dass die Trojaner Vittra waren? Oder worauf willst du hinaus?«
»K eine Ahnung.« Achselzuckend stellte Tove die Figur wieder auf den Sims. »I ch halte nicht viel von griechischer Mythologie.«
»N a prima.« Ich lehnte mich zurück. »W as weißt du denn dann?«
»I ch weiß, dass der König der Vittra dein Vater ist.« Er tigerte durchs Zimmer und betrachtete die Einrichtung, ohne sie wirklich wahrzunehmen. »U nd er ist unerbittlich, also wird er nicht ruhen, bis er dich hat.«
»D u wusstest, dass er mein Vater ist?«, fragte ich erstaunt. »W arum hast du mir das nicht gesagt?«
»D azu hatte ich kein Recht.« Er schaute in den Eisregen hinaus, legte seine Hand auf die Fensterscheibe und betrachtete dann den Abdruck, den die Wärme seiner Haut hinterlassen hatte.
»D u hättest es mir sagen sollen«, beharrte ich.
»S ie werden ihn nicht töten«, sagte Tove abwesend. Er beugte sich vor und hauchte das Glas an.
»W en?«
»D en Markis. Loki.« Er zeichnete etwas auf die beschlagene Scheibe und wischte es dann mit dem Ärmel weg.
»E lora sagte, sie werde versuchen, ihn…«
»N ein. Sie können ihn nicht töten«, versicherte Tove mir und drehte sich zu mir um. »D eine Mutter ist als Einzige mächtig genug, um ihn festzuhalten. Von dir und mir mal abgesehen.«
»M oment, Moment.« Ich hob die Hand. »W as meinst du damit? Ich habe doch gesehen, wie die Wachen ihn in der Halle überwältigt haben. Sogar Duncan konnte dabei helfen.«
»D ie Vittra funktionieren anders als wir.« Tove setzte sich ans andere Ende der Couch. »U nsere Fähigkeiten liegen hier drin.« Er tippte sich an den Kopf. »W ir können mit unseren Gedanken Dinge bewegen oder den Wind kontrollieren.«
»L oki kann durch seine Gedankenkraft Leuten das Bewusstsein rauben und die Vittra-Königin ist eine Heilerin«, wandte ich ein.
»D ie Vittra-Königin hat Tryll-Blut in den Adern. Es muss ein paar Generationen alt sein, sonst hätte sie nicht Königin werden können. Und Loki hat ebenfalls unser Blut. Sein Vater war ursprünglich ein Tryll.«
»U nd jetzt ist er ein Vittra?«, fragte ich und erinnerte mich, dass Elora Lokis Vater gekannt hatte.
»D as war er eine Zeit lang. Jetzt ist er tot«, sagte Tove sachlich.
»W as? Wieso?«
»H ochverrat.« Tove beugte sich vor und hob mit Gedankenkraft eine Vase vom Couchtisch. Ich hätte ihn am liebsten angefahren, er solle sich gefälligst konzentrieren, aber ich wusste, dass er genau das gerade versuchte.
»H aben wir ihn getötet?«, fragte ich stattdessen.
»N ein. Ich glaube, er wollte wieder nach Förening zurück.« Er biss sich konzentriert auf die Lippe und ließ die Vase durch die Luft schweben. »D ie Vittra haben ihn umgebracht.«
»D u meine Güte.« Ich setzte mich wieder auf. »W arum ist Loki dann immer noch auf ihrer Seite?«
»I ch kenne Loki nicht und seinen Vater kannte ich auch nicht.« Die Vase schwebte nach unten und landete sanft auf dem Tisch. »I ch kann dir nicht sagen, was hinter ihren Entscheidungen steht.«
»W oher weißt du das alles?«, fragte ich.
»D u würdest es auch schon längst wissen, wenn wir uns nicht im Ausnahmezustand befänden.«
Tove atmete tief ein. Er wirkte viel ruhiger, seit er die Vase bewegt hatte. »E s gehört zu dem Training, das du eigentlich bekommen solltest,
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