Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
letzten Filmeabend in Rhys’ Zimmer achtete ich darauf, nicht dort einzuschlafen. Ich verabschiedete mich, während die anderen noch Tanz der Teufel schauten.
Auf dem Weg zurück in mein Zimmer sah ich Finn durch die Flure patrouillieren. Ich grüßte ihn, aber er ignorierte mich eiskalt. Duncan entschuldigte sich für ihn, aber es machte mich nur noch wütender, dass Finn mit seinem Verhalten sogar seinen Tracker-Kollegen in Verlegenheit brachte.
Am folgenden Morgen weckte mich Tove in aller Herrgottsfrühe. Da er jetzt im Palast wohnte, hatte er es schließlich nicht mehr weit. Für mich war es noch viel zu früh, aber ich wusste, dass Tove Schlafprobleme hatte, seit er hier lebte, also beschwerte ich mich nicht.
Ich machte mich bereit für einen langen und anstrengenden Trainingstag. Zuerst gingen wir in die Küche, die sonst um diese Zeit völlig verlassen war. Aber da nun so viele Wachen und Gäste im Palast lebten, arbeitete der Koch rund um die Uhr. Zum Leidwesen des Küchenchefs ließ Tove mich üben, die Töpfe und Pfannen zu bewegen.
Ich hatte gehofft, ich könne die Küchengeräte zum Tanzen bringen wie Mary Poppins, aber so war es leider nicht. Ich schaffte es, ein paar gusseiserne Töpfe schweben zu lassen, und köpfte Duncan beinahe mit einer Pfanne, die ich nur mit Gedankenkraft durch den Raum schleuderte.
Ein Teil von mir freute sich unglaublich, dass ich endlich mit meinen Kräften Dinge bewegen konnte. Toves Meinung nach lag das daran, dass ich das Eingangstor zugeknallt hatte, als Elora Loki folterte. Diese unbewusste Handlung hatte die Barriere beseitigt, die mich bisher davon abgehalten hatte, mein Potenzial voll auszuschöpfen.
Aber der Teil, der sich freute, wurde bald von dem Teil überwältigt, der vollkommen erschöpft war. Als wir mit dem Training fertig waren, war ich so kaputt wie noch nie in meinem Leben. Duncan bot mir an, mich die Treppe hinauf in mein Zimmer zu tragen, aber ich lehnte dankend ab. Ich musste lernen, mit dieser Erschöpfung umzugehen.
Ich wollte nicht, dass Leute wie Duncan, Finn oder sogar Tove ihr Leben riskierten, um mich zu schützen. Mehr noch, ich wollte sie nicht brauchen. Ich war stärker als alle anderen und musste lernen, mich um mich selbst zu kümmern.
Natürlich würde mir das nicht über Nacht gelingen, aber ich würde so lange an meinen Fähigkeiten arbeiten, bis ich so stark war, wie alle es prophezeit hatten.
Ich machte eine kurze Pause und musste dann zu einer Sitzung des Verteidigungsrates. Es nahmen nur Tove, Duncan, ich, ein paar Tracker und Elora daran teil. Finn und sein Vater Thomas waren bereits in der Einsatzzentrale, als ich hereinkam. Ich begrüßte sie, und Thomas erwiderte den Gruß. Finn ignorierte mich. Mal wieder.
Die Sitzung war nicht besonders interessant. Elora brachte uns auf den neuesten Stand. Keine weiteren Vittra waren aufgetaucht. Loki war nicht geflüchtet. Dann besprach Elora mit den Trackern ihre Wachdienste. Ich hätte sie gerne gefragt, wie weit sie mit ihrem Plan gediehen war, mit den Vittra über Loki zu verhandeln, aber sie warf mir einen warnenden Blick zu und ich wusste, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war.
Als die Sitzung vorbei war, eilte ich in mein Zimmer. Ich wollte nur noch lange und heiß duschen und dann ins Bett. Als ich gerade in die Dusche steigen wollte, merkte ich, dass mein Duschgel alle war, und ich ging auf den Flur, wo es einen Wandschrank mit Nachschub gab.
Es ging mir wirklich nicht gut: Mein Gehirn fühlte sich betäubt an und schien einen Kurzschluss zu haben. Aus unerfindlichen Gründen spürte ich meine Gliedmaßen kaum noch, vor allem meine Finger und Zehen nicht. Ich fühlte eine Migräne herannahen und sah auf dem linken Auge nur noch verschwommen.
Das Training heute hatte mich zu sehr angestrengt, aber das hatte ich mir nicht eingestehen wollen. Tove hatte mir mehrmals angeboten, eine Pause einzulegen, aber ich hatte mich geweigert und bezahlte nun den Preis dafür.
Deshalb verlor ich wohl auch die Beherrschung, als Finn grußlos an mir vorbeiging. Ich kam im Bademantel den Flur entlang und begegnete ihm auf seiner Patrouille. Er lief an mir vorbei, ich grüßte ihn und er nickte mir nicht einmal zu.
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
»W as zum Teufel soll das, Finn?«, schrie ich und wirbelte herum. Er blieb stehen, aber nur, weil ich ihn erschreckt hatte. Blinzelnd und mit offenem Mund starrte er mich an. Ich hatte ihn noch nie zuvor so
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