Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
antwortete Rhys an meiner Stelle. »I ch habe noch nie erlebt, dass sie sich so in jemanden festbeißen. Aber Wendy ist auch die erste Prinzessin, die ich je gesehen habe, und es gibt seit einiger Zeit Prophezeiungen über sie.«
Ich hätte zu gerne gewusst, was es mit diesen Prophezeiungen auf sich hatte. Alle wichen meinen Fragen aus, also wusste ich nur, dass ich eines Tages sehr mächtig sein würde. Gerade fühlte ich mich aber nicht besonders mächtig. Ich hatte solche Schmerzen, dass ich nicht sprechen konnte, und war in einem Verlies gefangen.
Und was noch schlimmer war: Nicht nur ich steckte in diesem Schlamassel, sondern ich hatte auch Rhys und Matt mit hineingezogen.
»W endy, geht es dir gut?«, fragte Matt.
»J a«, log ich.
»D u siehst aber nicht gut aus«, sagte Rhys.
»S ie ist leichenblass und atmet kaum«, sagte Matt und ich hörte, wie er aufstand. »S ie braucht einen Arzt.«
»W as hast du vor?«, fragte Rhys.
Ich öffnete die Augen, weil ich das auch sehen wollte. Sein Plan war so einfach wie genial: Er ging zu der verriegelten Tür und hämmerte dagegen.
»H ilfe! Hallo! Wendy braucht einen Arzt!«
»W ieso sollten sie ihr helfen wollen?«, fragte Rhys und sprach damit aus, was ich dachte. Kyra hatte sich schließlich große Mühe gegeben, mich zu verletzen.
»S ie haben sie noch nicht umgebracht, also wollen sie sie vermutlich lebend.« Matt hatte sein Hämmern gegen die Tür unterbrochen, um Rhys zu antworten. Jetzt schlug er wieder mit den Fäusten gegen das Holz und schrie nach Hilfe.
Der Lärm hallte durch den Raum und ich ertrug ihn nicht mehr, weil mein Kopf auch so schon entsetzlich wehtat. Ich wollte Matt gerade bitten, aufzuhören, da öffnete sich die Tür.
Dies wäre die perfekte Gelegenheit für Matt und Rhys gewesen, unsere Wärter anzugreifen, aber sie kamen gar nicht auf die Idee. Sie wichen nur zur Seite.
Ein Vittra betrat das Verlies. Es war derjenige, der mir bei uns zu Hause das Bewusstsein geraubt hatte, und ich erinnerte mich dunkel daran, dass Kyra ihn Loki genannt hatte. Sein wuscheliges Haar war erstaunlich hell für einen Vittra.
Hinter ihm stand ein Troll, und zwar ein echter. Klein und gnomartig. Seine Gesichtszüge waren menschlich, aber seine Haut war braun und schleimig. Er trug einen Hut, unter dessen Krempe graue Haarbüschel hervorlugten. Er reichte Loki kaum bis zur Hüfte, aber die Tatsache, dass er ein echter Troll war, machte ihn dennoch viel einschüchternder.
Rhys und Matt starrten den Kobold mit offenem Mund an, und das hätte ich wohl auch getan, wenn ich dazu noch fähig gewesen wäre. Ich konnte kaum den Kopf aufrecht halten.
»I hr habt gesagt, das Mädchen braucht einen Arzt?«, fragte Loki und sah mich mit derselben gutartigen Neugier an wie zuvor.
»D as hat Kyra angerichtet?«, fragte der Kobold, und seine Stimme war erstaunlich tief für eine so kleine Kreatur. »S ie sollte angeleint werden.«
»I ch glaube, Wendy kann nicht atmen«, sagte Matt und sein Gesicht war eine Maske der Selbstbeherrschung.
Sicherlich hielt nur mein Zustand ihn davon ab, Loki auf der Stelle anzugreifen. Wenn er unsere Wärter verletzte, konnten sie mir nicht helfen.
»L asst mich mal sehen.« Loki kam mit langen, entschlossenen Schritten auf mich zu.
Der Kobold blieb bei der Tür und bewachte Matt und Rhys, aber sie waren viel zu besorgt um mich, um an Flucht auch nur zu denken.
Loki kauerte sich neben mir nieder und betrachtete mich tatsächlich mit Besorgnis. Ich hatte zu große Schmerzen, um noch Angst empfinden zu können, aber ich glaube, ich hätte mich auch sonst nicht vor ihm gefürchtet. Körperlich war er viel stärker als ich, und er konnte Leute mit einem Blick bewusstlos werden lassen oder noch Schlimmeres. Aber irgendwie wusste ich, dass er mir helfen wollte.
»W o tut es weh?«, fragte Loki.
»S ie kann kaum atmen und reden schon gar nicht!«, bellte Matt. »S ie braucht sofort einen Arzt.«
Loki hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, und Matt seufzte abgrundtief.
»K annst du reden?«, fragte Loki.
Als ich den Mund öffnete, kam statt Worten nur ein röchelndes Husten aus meiner Kehle. Ich schloss die Augen und versuchte vergeblich, es zu unterdrücken. Doch bald hustete ich so heftig, dass mir die Tränen über die Wangen strömten. Ich spürte etwas Nasses und öffnete die Augen. Meine Beine und Lokis Füße waren voller roter Spritzer. Ich hustete Blut und konnte nicht damit aufhören.
»L udlow!«, schrie Loki
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