Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
vorsichtig sein.«
»O kay«, versprach ich.
Finn stand so dicht vor mir, dass ich die Wärme seines Körpers spürte und sein Rasierwasser roch. Er blickte mich unverwandt an und ich erinnerte mich daran, wie er seine Finger in meinem Haar vergraben und mich so fest an sich gedrückt hatte, dass ich kaum atmen konnte.
Er war immer so stark und voller Selbstbeherrschung, aber in den wenigen Augenblicken, in denen er sich erlaubt hatte, seiner Leidenschaft freien Lauf zu lassen, hatte er mich auf wundervolle Weise überwältigt.
Ich wollte nicht, dass er ging, und er wollte nicht gehen. Aber wir hatten beide Entscheidungen getroffen, von denen wir nicht abrücken konnten. Er nickte noch einmal, löste seinen Blick von meinem, drehte sich dann um und glitt aus dem Fenster.
Duncan wartete neben dem Baum und Finn sprang elegant zu Boden. Ich stand am Fenster und beobachtete, wie er den zögernden Duncan vom Haus weglotste.
Als sie bei der Hecke ankamen, die unser Grundstück von dem der Nachbarn trennte, schaute Finn sich um. Als er sicher war, dass niemand ihn sehen konnte, schlug er sich ohne einen weiteren Blick zu mir ins Gebüsch, und Duncan folgte ihm.
Ich schloss das Fenster und verriegelte es, wie er mir geraten hatte. Es schmerzte schrecklich, ihn gehen zu sehen. Er hatte mich zwar schon mehrmals verlassen, aber ich konnte einfach nicht glauben, dass er und Duncan mich ganz ohne Schutz zurücklassen würden. Wenn er sich solche Sorgen um die Vittra machte, warum war er dann gegangen?
Aber dann begriff ich endlich. Finn hatte mich noch nie schutzlos zurückgelassen, egal, was ich oder andere ihm befohlen hatten. Sobald er begriffen hatte, dass ich ihm nicht folgen würde, hatte er beschlossen, keine Zeit mehr mit Streiten zu verschwenden. Er würde im Hintergrund abwarten, bis ich meine Meinung änderte oder…
Ich zog die Vorhänge zu. Es gefiel mir nicht, beobachtet zu werden, aber irgendwie war es auch sehr tröstlich, dass Finn da draußen auf mich aufpasste. Weil mein Fenster so lange offen gewesen war, fror ich, also ging ich zum Schrank und holte mir einen dicken Pulli.
Die Begegnung mit Finn hatte mir einen solchen Adrenalinstoß versetzt, dass ich hellwach war, aber ich freute mich trotzdem darauf, mich in mein Bett zu kuscheln. Auch wenn ich die ganze Nacht wach liegen würde.
Ich machte es mir bequem und versuchte vergeblich, Finn zu vergessen. Einige Minuten später hörte ich einen lauten Knall aus dem unteren Stockwerk. Matt schrie etwas, verstummte dann aber plötzlich. Im Haus war es totenstill.
Ich sprang auf, rannte zu meiner Zimmertür und öffnete sie mit zitternden Händen. Hoffentlich war nur Finn ins Haus zurückgeschlichen und dabei Matt begegnet.
Aber dann hörte ich Rhys schreien.
3
Bewusstlos
R hys’ Schrei verstummte abrupt, und ich war kaum aus der Zimmertür getreten, da hörte ich schnelle Schritte die Treppe heraufpoltern. Bevor ich reagieren konnte, war sie da.
Kyra, eine Vittra-Trackerin, mit der ich schon einmal zusammengetroffen war, erschien auf dem oberen Treppenabsatz. Ihr dunkles Haar war kurz geschnitten und sie trug einen langen schwarzen Ledermantel. Sie hielt sich am Geländer fest und kauerte sprungbereit dahinter. Sobald sie mich sah, bleckte sie die Zähne und zeigte mehr von ihrem Gebiss, als einem Menschen möglich war.
Ich stürmte auf sie zu und hoffte, sie damit aus dem Konzept zu bringen, aber ich hatte kein Glück.
Sie wich mir rechtzeitig aus und trat mir dann blitzschnell in den Unterbauch. Ich taumelte zurück und hielt mir dramatisch den Bauch, und als sie mir folgte, schlug ich ihr ins Gesicht.
Unbeirrt stürzte sich Kyra auf mich und gab mir einen viel härteren Schlag zurück. Ich fiel zu Boden und sie stand lächelnd über mir. Aus ihrer Nase tropfte Blut.
Ich rappelte mich auf, sie packte mich an den Haaren und riss mich vollends hoch. Ich trat nach ihr und sie belohnte meinen Mut mit einem heftigen Tritt in die Seite, sodass ich aufschrie. Kyra lachte nur und trat noch einmal zu.
Diesmal wurde mir schwarz vor Augen und alles versank einen Moment lang. Mein Gehör funktionierte nicht mehr richtig und ich versuchte krampfhaft, bei Bewusstsein zu bleiben.
»A ufhören!«, rief eine Stimme energisch.
Als ich blinzelnd meine geschwollenen Lider öffnete, sah ich einen Mann die Treppe hinauf zu Kyra rennen. Er war hochgewachsen und unter seinem schwarzen Pulli sehr muskulös. Kyra ließ mich zu Boden fallen, als er den oberen
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