Hoehenfieber
Erfahrung kann ich nur profitieren.“ Sie wurde puterrot, als sie bemerkte, dass alle Blicke auf ihr lagen, und senkte rasch den Kopf.
„Vater hat mir erzählt, warum er diesen Fetisch entwickelte, aber das hat er selbst erst vor Kurzem begriffen. Nachdem er sich Ehefrau Nummer zwei genommen hatte, fing er bereits an, sich vor sich selbst zu ekeln. Unterbewusst muss ihm damals schon klar geworden sein, wie falsch der Weg war, den er beschritt.“
Quinn stockte der Atem. Fadi sprach nicht von dem Sheikh, den sie achtzehn Jahre ihres Lebens kennengelernt hatte? Einsicht war für Rashad ein Fremdwort.
„Vor einem Jahr bestand Vater darauf, dass ich nun endlich mit dem Studium anfangen solle. Er zog Majid ins Vertrauen, der von da an meine Botendienste übernahm. Mit Ziad vereinbarte er, dass ein anderes Vorstandsmitglied meine Stelle bei offiziellen Anlässen übernahm.“
Quinn rechnete nach. Eigentlich hätte Fadi bereits vor zwei Jahren mit dem Studium beginnen können. „Wieso plötzlich der Sinneswandel, wenn er dich bis dahin zurückgehalten hat?“
Fadi zuckte mit den Schultern. „Ich hätte es erkennen müssen. Aber das tat ich nicht.“
Alessa mischte sich ein. „Die Ärzte diagnostizierten damals eine Verschlimmerung seiner Erkrankung und stuften ihn ins Endstadium ein. Das bedeutet eine Überlebenschance von weniger als vierzig Prozent für die nächsten fünf Jahre.“
„Er drängte mich, das Studium in Rekordzeit zu absolvieren, aber nach einem halben Jahr rief er mich für ein Wochenende zurück. Als ich ihn sah, wusste ich, wie es um ihn stand.“ Fadi blickte sie der Reihe nach an. „Er wird höchstens noch ein paar Wochen leben.“
Sadia verbarg ihre Betroffenheit hinter dem Schleier ihrer Haare, doch Quinn spürte, dass die Nachricht nicht spurlos an ihr vorüberging und sie noch immer Gefühle für den Mann hegte, der ihr Leben zerstört hatte.
„Während ich in Rom war, hatte er sich vollkommen verändert. Vielleicht hat der Prozess viel früher eingesetzt, ich weiß es nicht. Jedenfalls zeigte er sich mir von da an wie umgewandelt. Er flehte mich an, ihn anzuhören und bat beinahe auf Knien um Verzeihung. Es war mein Glück, das ich zwischenzeitlich Alessa kennengelernt hatte.“ Fadi drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Wenn ich nicht gewusst hätte, wie sich Liebe anfühlt, hätte ich seinen Wandel nicht begriffen.“
„Und der wäre?“, fragte Quinn und knabberte an ihrem Handrücken. Sie rang mit einem Gefühl zwischen Misstrauen und Hoffnung. Eine stille Sehnsucht meldete sich, die sie ihr Leben lang begleitet hatte. Der Wunsch nach einem Vater.
„Er bat mich, dich zu suchen, Latifa und ich beauftragte daraufhin eine Detektei in Rom.“ Fadi suchte erneut ihren Blick. Sein Gesichtsausdruck spiegelte mittlerweile nur noch bittere Qual. Er machte sich selbst fertig. „Rashad wollte dich um Verzeihung bitten. Und auch dich, Mutter.“
Sadia hob den Kopf und gab ihre still geweinten Tränen preis. „Warum habt ihr die Täuschung weiterhin aufrechterhalten? Warum hast du mir im Roten Salon noch etwas vorgespielt, Fadi?“
Er schüttelte den Kopf. „Vater hegte nur noch zwei Wünsche. Zum einen, dass ich Latifa finde, zum anderen, dass ich heirate. Er bestand darauf, beides streng geheim zu halten.“
„Und du hast mich nur abgeschleppt, damit du schnell heiraten kannst, ja?“, neckte Alessa.
Quinn warf ihr einen dankbaren Blick zu. Sie sah der jungen Frau an, dass sie nicht an Fadis Liebe zweifelte, sondern nur versuchte, die bedrückte Stimmung aufzulockern.
„Natürlich nicht“, sagte Fadi ernst.
„Ich weiß.“ Zärtlich strich Alessa ihm durch das Haar.
„Vater weiß, dass er es nicht schafft, bis ich dreiundzwanzig bin.“
„Wieso dreiundzwanzig?“, fragten Latifa und Quinn gleichzeitig. Auch auf Sadias Gesicht spiegelte sich die Frage.
„Weil Quinn oder ich erst mit dreiundzwanzig – oder wenn wir früher heiraten – die Firmenanteile und die Geschäftsführung laut der familieninternen Vereinbarungen übernehmen dürfen. Bis dahin würde deine Familie als Verwalter eingesetzt, Mutter. Also wohl Onkel Ziad, seit Onkel Said tot ist. Das wollte Vater unbedingt vermeiden.“
„Rashad konnte nie mit meinen Brüdern“, sagte Sadia, „am wenigsten mit Ziad. Ich verstehe allerdings nicht, warum. Damals, als wir studierten, haben wir einige Monate gemeinsam im Paris verbracht. Ziad, Rashad und ich. Ziad lernte damals Simone kennen und folgte
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