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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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wir auf Immanuel, groß gewachsen, ein wenig scheu gegenüber den deutschen TV-Leuten, obwohl er doch über viele Jahre nichts anderes getan hat, als seinen ausländischen »clients« beim Kili-Aufstieg zu helfen.
    Er selbst sei doch gar nicht so wichtig, sagt er, und trotzdem habe der Weg auf den Kili einiges mit seiner Familie zu tun, denn ein entfernter Onkel von ihm sei danach als Träger dabei gewesen, als der Deutsche Hans Meyer 1889 die Erstbesteigung schaffte.
    Zwei bis drei Bergwanderer sind es in den Anfangsjahren von Immanuels Arbeit als Träger gewesen, die auf den Berg hoch wollten - rund 25 000 pro Jahr sind es mittlerweile geworden! Übernachtet haben sie damals auf dem Weg nach oben unter Felsvorsprüngen oder in Höhlen. Seine ganze Arbeit habe er über die Jahre immer nur für die »clients« gemacht, er selbst sei doch gar nicht so wichtig. Doch als er nun unseren Widerspruch spürt, lächelt er ein wenig; für ganz so unbedeutend hält er sich und seine Lebensgeschichte doch nicht.
    Und seine Kili-Geschichte ist ja auch noch nicht zu Ende: Zwei bis drei Mal im Monat macht er sich mit seinen inzwischen 78 Jahren auf den Weg zum Gipfel, und so will er es durchhalten, bis er die 80 Jahre erreicht hat. Wie oft er auf dem Uhuru
Peak gestanden hat - er weiß es nicht, er zählt keine Aufstiege, führt keine Gespräche mit dem Berg, aber auch keine Selbstgespräche. Für uns, die Bergwanderer, hat er nur zwei Ratschläge: zum einen das einprägsame »pole - pole«, »langsam - langsam« hinsichtlich des Tempos, oder besser: der Muße beim Aufstieg, und zum anderen das Wasser - die dringende Warnung, immer extrem viel zu trinken.

Eigentlich kein besonderer Berg
    Mit einem Blick auf das Heiligenbild auf dem kleinen Tisch - »Der Herr ist mein Licht und meine Rettung« - stelle ich sie ihm doch, die Frage nach den Göttern. Denn nach einem alten Volksglauben gehört die Gipfelregion des Kili den Göttern, sie haben dort ihren Wohnsitz.
    Immanuel stutzt, lässt mich die Frage ein zweites Mal stellen, lächelt ein wenig. Nein - der Kili sei eigentlich kein besonderer Berg, und Götter, dort oben? Ja, doch, er wisse etwas darüber, dass viele seiner Landsleute fest davon überzeugt seien, dass dort die Götter wohnen. Ob er denn selbst schon einen gesehen, etwas von ihnen gespürt habe, will ich wissen. Der 78-Jährige lächelt nachsichtig über meine Beharrlichkeit. Ein klares Ja, ein klares Nein bekomme ich nicht - nur dieses freundlich-verschmitzte Lächeln.
    Als wir uns nach gut zwei Stunden verabschieden und ein weiteres Treffen in den nächsten Tagen vereinbaren, steht für mich fest: Etwas ist dran an diesem Glauben, dass der Kili-Gipfel
Eigentum der Götter ist. Ich bin auf meine Eindrücke gespannt - wenn ich ihn denn nun endlich auch einmal selbst zu sehen bekomme, diesen über 5800 Meter hohen heiligen Berg mit seiner schneebedeckten Gletscherzone an der Spitze. Werde ich dort den Geistern des Kili begegnen oder etwas von seinen Göttern spüren?

Kapitel 5
    Träger und Bergführer
    »Für sechs Dollar pro Tag schleppe ich das hoch - Mehl, Zucker, Wasser, Töpfe, eigentlich alles!«

    Sie heißen Jesaia, Daniel, Alex und Deo: Für fünf Tage werden sie unsere Begleiter sein, durch den Regenwald, bei Nebel und Schneeschauern, während die Sonne bei 28 Grad vom Himmel knallt. Sie werden oft lachen, manchmal leise Melodien vor sich hinsummen, einige werden über englische Sprachbrocken mit uns radebrechen, ein wenig über ihre Familien und ihr eigenes Leben erzählen. In den Hütten unterwegs sind sie abseits der ausländischen Bergtouristen untergebracht, zu zweit müssen
sie sich ein Bett teilen, mehr Platz gibt es nicht. Sie werden uns helfen, möglichst weit und möglichst hoch hinaufzukommen, denn sie wissen auch, dass Touristen, die per Urkunde bescheinigt bekommen, oben gewesen zu sein, beim Abschied großzügiger mit dem Trinkgeld sind.
    Wenn Jesaia, Daniel, Alex und Deo Glück haben, können sie eine solche fünftägige Bergtour vielleicht zwei Mal im Monat unternehmen. Bei jeder Tour bekommen sie sechs Dollar am Tag fürs Vorräteschleppen. Die Säcke sind in der Regel siebzehn bis neunzehn Kilo schwer - mehr als zwanzig Kilo dürfen es mittlerweile nicht mehr sein. Zu viel Raubbau an der Gesundheit der Träger gab es da in den zurückliegenden Jahren.
    Das Marangu Gate stellt den Eingang zum Kilimandscharo-Nationalpark dar. Hier treffen sich Tag für Tag die ausländischen Gruppen, die

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