Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
Filmaufnahmen machen zu können - Hauptsache, wir kommen überhaupt aus dieser Matsch- und Schlammregion heraus!
Erst etwas später, als wir merken, dass unser Gastgeber Remidy jetzt seinen ganzen Stolz, seine ganze Ehre daransetzt, uns doch noch zum versprochenen Ziel, seinem Heimatort, zu bringen, wissen wir: Der Kampf Auto gegen Schlammwüste geht weiter. Und plötzlich, zeigt sich - vom Fahrweg aus überhaupt nicht zu sehen - unter Bananenstauden versteckt Remidys Wohnsitz. Im Nu stürmt eine Horde Kinder zwischen vier und vierzehn Jahren auf ihn zu, der Papa, der Onkel ist endlich wieder da! Dann werden wir, der Besuch von weither, seiner Familie, den Verwandten vorgestellt; alle haben sich für den Besuch fein gemacht, sie haben den Platz vor den Hütten, der Wohnung und der Küche, gefegt.
Nach einer ersten Tasse Kaffee zum Willkommen werden wir durch das Anwesen geführt: Neben dem Haupthaus aus Lehm befinden sich die Wirtschaftsräume, ein paar Meter hinter der Küche sind unter Bäumen die Gräber bereits verstorbener Familienmitglieder angelegt. Nach den Bräuchen der Chagga, dem Stamm dieser Kili-Region, bleiben die Toten der Familie in unmittelbarer Nähe der Lebenden.
Um uns herum Bananenstauden, Gartenland, Mais, Bohnen und Kartoffeln - ein paar Kilometer von hier entfernt beginnen große Kaffeeplantagen, an denen wir auf der Rückfahrt noch vorbeikommen.
Da wohnen die Götter - basta!
Mitten in diesem festlichen Trubel begegnet uns ein dunkel gekleideter älterer Mann, den uns Remidy als »father« vorstellt. Entsprechend neugierig wollen wir von ihm alles über seinen »Sohn« erfahren; etwas zögerlich gibt er die eine oder andere Auskunft, bevor sich herausstellt, dass der vermeintliche Vater der Ortsvorsteher ist, der Verantwortliche für die verstreut zwischen den Bananenpflanzungen liegenden Einzelhütten.
Ohne ihn wären wir an diesen von unserer Kili-Route abgelegenen Ort erst gar nicht gekommen. Er hatte die Erlaubnis für unseren Besuch gegeben; er ist der mächtige Mann, der darüber zu entscheiden hat, wer an diesem Fleckchen Land unter den Bananenwaldblättern leben darf und wer nicht. Denn große Familien mit vielen Kindern, so erzählt uns »father«,
brauchen immer mehr Ackerland, sie brauchen größere Häuser und natürlich auch mehr Platz. Der Ortsvorsteher lächelt nicht, als ich ihn frage, wie denn die Zukunft für unseren Bergführer Remidy aussieht, wenn er einmal keine Touristen mehr auf den Kili hochführen wird.
Nein, für ihn sei hier dann kein Platz mehr da - er sei wie andere weggegangen, und jeder, der dieses kleine Dorf einmal verlassen hat, verliert sein Anrecht, hier noch einmal zu wohnen, zu siedeln. »Da ist kein Platz mehr« - das ist die unmissverständliche Botschaft.
Als wir von Remidys Mutter erfahren wollen, was sie denn so von den Kili-Besteigungen ihres Sohnes hält, ob sie in früheren Jahren auch schon einmal Lust hatte, ihn nach oben zu begleiten, da begegnet uns Fassungslosigkeit. Dass er Monat für Monat Menschen aus Europa, Amerika oder Asien auf den »heiligen Berg« begleitet und damit das nötige Geld verdient - das kann sie sich für sich selbst nicht vorstellen. Auch einige ihrer Verwandten reagieren ein wenig ratlos: seine tägliche Arbeit, der Weg nach oben, bis ganz nach oben? Undenkbar! Denn seine Mutter weiß, und das erzählt sie mir auch, dass dort nur die Götter wohnen - basta, und so ist es gut.
Als wir uns nach ein paar Stunden von Remidys Familie, den Kindern und einem für uns unfassbaren Naturidyll aus Bananenstauden, Maisblättern und tropischen Baumgewächsen verabschieden, bleibt Remidy noch für zwei Tage zu Hause. Beim Abschied hält er seine überglückliche kleine Tochter auf dem Arm; sie ist mächtig stolz auf ihren Papa, glücklich, dass er sie endlich wieder ein Stück auf seinem Arm trägt und nicht da
oben ist, irgendwo da oben, wo Kili-Bergmassiv und Himmel ineinander übergehen - in einer ganz anderen Welt. Ein Stück heiles Afrika?
Am Rande der Usambara-Berge
Wir befinden uns auf dem Rückweg zu unserer Lodge in Marangu. Während der Autofahrt beschließen wir, noch einmal richtig »spontan« zu sein. Jeder von uns hat die Liste der Aufgaben, die uns in den kommenden Tagen erwarten und die bis auf die Minute genau eingeteilt sind, verinnerlicht. Wir wissen, dass fünf Tage lang die Live-Schaltungen der ARD am Morgen, die zusätzlichen Dreharbeiten, der Abbau und das Einpacken der Technik sowie
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