Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
Vom Netzwerk:
Wahnsinnsaktion in einem Land, in dem ausgebildete Facharbeiter oder Lehrer rund 60 Dollar im Monat verdienen. Eine Wahnsinnsaktion, ausgelöst durch die übergroße Erleichterung, ihn, den Kili, geschafft zu haben. Oder eine massive Rückbestätigung, dass wohl die wenigsten der Kili-Bezwinger diesen Berg geschafft hätten, gäbe es nicht Menschen wie Jesaia, Daniel, Alex oder Deo.

»Aber passieren wird das ganz sicher niemals!«
    Irgendwie ahnen wohl alle schon vor Beginn unserer Tour, dass die zu absolvierenden Höhenmeter nur vergleichsweise wenig mit der eigenen Person zu tun haben - dafür aber sehr viel mit Moral und Stärke der Einheimischen aus dem Stamm der Chagga. Sechs Dollar pro Tag; nun stehen auch die letzten Namen der Träger auf Alex’ Liste, und wir kommen ein wenig ins Gespräch. Nein, das sei schon eine richtige Einteilung, dass sie,
die Einheimischen, den ausländischen Bergtouristen die mühselige Schlepperei von Ausrüstung und Proviant abnähmen. Das ist okay, sagen sie.
    Und als ich nachfrage, als ich wissen will, ob sie schon einmal darüber nachgedacht hätten, wie es denn umgekehrt wäre, wenn sie als Besucher in ein Land mit dem Namen Deutschland kämen, weit, weit weg von hier, ein Land im fernen Europa... und es dort dann umgekehrt laufen sollte, dass ihnen dort jemand das Gepäck schleppen würde, ein Weißer für den Besucher aus der Kili-Region in Tansania - da herrscht Fassungslosigkeit. Nein, dass das auch umgekehrt funktionieren könnte - ausgeschlossen! Nur einer von meinen Gesprächspartnern meint dann eher etwas verlegen: Ja, komisch sei die Vorstellung, dass das auch einmal anders herum laufen würde. »Aber passieren wird das ganz sicher niemals!«

Kapitel 6
    Ein Stück heiles Afrika?
    »... und jetzt mach langsam einen Schritt, dann mit dem anderen Bein, dann atmen und dann der nächste Schritt...«

    Heute legen wir einen Tag Training zwischen 3500 und4000 Meter Höhe ein, der die Möglichkeit zur Akklimatisierung schaffen soll. Ich soll gehen lernen, oder eigentlich besser: atmen und dann wieder gehen. Denn in dieser Höhe werden altvertraute Bewegungsabläufe infrage gestellt oder vielleicht auch nur wieder auf das Maß zurückgeführt, das ich einmal hatte, bevor Stress, Hektik und Arbeitszwänge in Deutschland mich diesen
wunderbaren Rhythmus haben verlernen lassen. Jetzt bemüht sich Remidy, der einheimische Chef-Guide unserer Gruppe, mir das Stück Natur im Wechsel von Gehen und Atmen wieder beizubringen, vor allem aber die Ruhe, die Gelassenheit weit weg vom deutschen Alltagsstress.
    Spontan verspüre ich großes Vertrauen zu diesem kräftig gebauten, durchtrainierten Mann, zu seiner Ruhe und Zuverlässigkeit. Und ich entdecke noch etwas ganz anderes bei ihm: die Achtsamkeit, mit der er uns an dieses Stück Kili-Natur heranführt. Wir erleben sie, wenn Remidy in die Knie geht, uns heranwinkt und uns signalisiert: »Hier ist etwas, ihr braucht nur still zu sein, zu sehen, ein Stück Natur, ein seltenes Moos, ein Grasbüschel oder ein Erikagewächs.«

Remidys Heimat
    Von Remidys Unaufgeregtheit, mit der er uns die Annäherung an ein Stück seiner Heimat möglich macht, kann jeder aus unserer Gruppe lernen. Sie macht mich neugierig, ein wenig mehr über ihn zu erfahren: Woher kommt er, wie lebt er?
    Als wir Remidy bitten, ihn in seinem Heimatort besuchen zu dürfen, um dort ein paar Aufnahmen für unseren Film zu drehen, wehrt er zunächst ab; das sei doch nichts Besonderes, da, wo er wohne. Erst als er merkt, dass wir gerade nicht das Besondere suchen, sondern ein Stück normalen Alltagslebens, sagt er ja und beschreibt uns den recht komplizierten Anfahrtsweg. Er wohnt rund 40 Kilometer vom Marangu Gate entfernt
bei Umbwe Mweka; zunächst geht es mit dem Allrad über staubige Wege in das landwirtschaftlich genutzte Farmland hinein. Wir treffen uns ein paar Kilometer vor Remidys Haus - er hat seine Sonntagskleider angelegt -, damit er uns das letzte Stück Weg zeigen kann.
    Als wir in die Bananen- und Regenwaldzone kommen, wird der Untergrund matschiger und das Fahren zur mühsamen Suche nach festem Grund. Gleich seien wir da, versichert Remidy uns, doch die Räder unseres Allradfahrzeugs wühlen sich tiefer und tiefer in den Schlamm hinein. Es geht kaum noch weiter, der Wagen schlingert, bleibt fast stecken. Wir versuchen, Umwege zu fahren, um von einer anderen Seite doch noch an Remidys Wohnung heranzukommen. Da haben wir die Hoffnung schon aufgegeben, dort

Weitere Kostenlose Bücher