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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Poet verprügelt wurde. Der Schmutz der Welt schien Rainer Riloff eingeholt zu haben... Angeekelt wandte sie sich vom Fenster ab und beschloß, gleich morgen Eugen Riedheim aufzusuchen.

    Eugen Riedheim war - neben seiner Tätigkeit als Kunstmäzen, die ihm in der Regel Gewinne in Form von Prozenten einbrachte - im bürgerlichen Leben Kolonialwarengroßhändler. Er empfing Lisa in seinem Büro, dessen Protzigkeit ein Hinweis auf Neureichtum sein mußte.
    Seinem Büro schloß sich ein weitläufiges Kontor an, in dem mindestens fünf Sekretäre arbeiteten, die Riedheim durch ein Glasfenster beobachten konnte. Als Lisa eintrat, schob er das Glasfenster zu und spielte den Überraschten.
    »Oh, wen sehe ich! Ich bin entzückt! Fräulein Lilly!«
    Er stand auf und reichte ihr die Hand, und wenn die Glasscheibe nicht gewesen wäre, hätte er sicher ihren Handrücken geküßt und ihrem Besuch damit jede geschäftliche Note streitig gemacht. Seine Hand war feucht. Lisa zog die ihre rasch zurück, lächelte aber sehr freundlich.
    »Bitte - setzen Sie sich. Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Sie sehen jedenfalls blendend aus, wie immer. Also, was kann ich für Sie tun?« Du könntest zum Beispiel aufhören, Süßholz zu raspeln, dachte Lisa und fühlte sich durch und durch unwohl. Trotzdem setzte sie sich, schlug die Beine übereinander und ließ etwas von den Seidenstrümpfen zwischen Stiefelbund und Rocksaum sehen. Lächelnd taxierte sie den Mann im gepolsterten Ledersessel. Er war klein und dick und trug seine dünnen Haare in der Mitte gescheitelt; der Zwicker auf seiner fleischigen Nase war wie aus dem Witzblatt. Außerdem hatte er kleine Augen und wulstige Lippen, und beides gefiel Lisa überhaupt nicht. Nichts gefiel ihr an diesem Eugen Riedheim.
    Dennoch warf sie ihm einen charmanten Blick zu, mischte in ihren Augenaufschlag eine Andeutung erotischen Versprechens, bewegte die Beine, daß die Seidenstrümpfe aneinanderrieben, und meinte wie nebenher: »Ach, wissen Sie, Herr Riedheim, ich dachte, ich wende mich am besten gleich an Sie. Ich möchte Sie bitten, sich einige meiner Bilder anzusehen. In den letzten Monaten habe ich viel gearbeitet.« Nach drei stummen Sekunden fügte sie hinzu: »Zuviel, wenn ich es recht bedenke.« Ihr Lächeln breitete sich aus. »Wenn ich den richtigen Rahmen zum Arbeiten finden würde, wäre ich freier. Sie sollten sich meine Arbeiten wirklich einmal ansehen.«
    Riedheim hatte nicht die geringste Lust, um den Brei herumzureden. Er wollte wissen: »Was ist mit Leander?«
    »Ich verlasse ihn.«
    So glaubte Lisa den Beginn ihrer Karriere einzufädeln.
    Es dauerte keine drei Tage, bis Riedheim, ohne ihre Arbeiten auch nur anzusehen, mit der Nachricht kam, ein Atelier für sie gemietet zu haben. Lisa war zufrieden.
    Ihr neues Domizil war weit von Niki und auch weit von Fedor entfernt. Sie bezog das Erdgeschoß einer Villa im Landhausstil, die idyllisch in einem großen, schattigen Garten lag, einem wahrhaften Garten Eden, umgeben von uralten Eichen, hohen Kastanienbäumen, weißen Birken, dunklen Rotbuchen... Wie herrlich, wenn erst der Frühling käme!
    Über ihr wohnte eine alte Frau mit ihren Katzen. Sie unterzog Lisa bei deren Einzug scharfen Blicken hinter dicken Brillengläsern, sagte aber freundlich »Grüß Gott!« und lud Lisa zum Kaffee ein.
    Wie ein Waldhaus mutete die alte, efeuumrankte Villa an, als es
    Frühling wurde. Lisa ließ sich nun in allen Ehren aushalten. Die alte Frau beobachtete alles, sagte aber nichts. Allerdings lud sie Lisa des öfteren zum Kaffee ein und sprach mit ihr über die Ereignisse des Jahres 1865, als sie sich zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben verliebt hatte.
    Endlich konnte Lisa malen!
    Riedheim beurteilte ihre Bilder als »außerordentlich vielversprechend«, doch sie wußte natürlich, daß er das jeder bereitwilligen Dilettantin gesagt hätte, deren Busen ihn erregte. Während sie arbeitete, erkannte sie, daß sie gelernt hatte, nicht von Niki, aber von Fedor. Sie versuchte nicht mehr, die Impressionisten zu kopieren, sie strebte nicht mehr nach der Auflösung im Licht, nach dem zart Verschwimmenden. Jetzt bekannte sie sich zu ihrem kühnen Strich, zur Leidenschaft, zur Ungezügeltheit. Langsam und doch unverkennbar trieb sie dem Expressionismus entgegen, ja ihre Bilder trugen bereits surrealistische Züge. Es waren Anfänge. Sie merkte, ganz am Anfang einer künstlerischen Eigenständigkeit zu stehen, obwohl ihr Stil immer noch Wassilijews Stempel

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