Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
zwischen zwei Tigerherzschlägen) ging unausgesprochen, aber klar hervor, daß Witwer Humbert alles tun müsse, alles tun wollte und tun würde, um dieser abgemagerten, wenn auch sonnengebräunten kleinen Waise aux yeux battus (und sogar dieser bleierne Schatten unter den Augen war voller Sommersprossen) eine solide Erziehung zu geben und eine gesunde, glückliche Jugend, ein reinliches Heim, nette gleichaltrige Freundinnen, unter denen ich (wenn die Parzen mich zu belohnen geruhten) vielleicht ein hübsches kleines Mägdlein für den Herrn Doktor Humbert allein finden würde. Doch im nächsten Augenblick war meine wohltäterhafte Verhaltensstrategie ausradiert, hatte ich meine Beute eingeholt (die Zeit läuft unseren Phantasievorstellungen voraus!), und sie war wieder meine Lolita - und sogar mehr denn je meine Lolita. Ich ließ meine Hand auf ihrem warmen, kastanienbraunen Kopf ruhen und ergriff ihren Koffer. Sie war ganz Rose und Honig in ihrem buntesten, mit roten Äpfelchen bedruckten Kattunkleid, und ihre Arme und Beine waren von tiefem Goldbraun; darauf waren Kratzer wie winzige Punktlinien aus geronnenen Rubinen, und die gerippten Stulpen ihrer weißen Wollsocken waren genau so weit umgeschlagen, wie ich es in Erinnerung hatte; und ihrer kindlichen Tracht wegen oder weil ich sie in Gedanken immer in flachen Schuhen gesehen hatte, schienen mir ihre weißbraunen Lederhalbschuhe irgendwie zu groß und zu hochhackig für sie. Leb wohl, Camp Q. Leb wohl, einfaches, ungesundes Essen, leb wohl, Freund Charlie. Sie setzte sich neben mich in den heißen Wagen, erschlug eine flinke Fliege auf ihrem entzückenden Knie; dann kurbelte sie, während ihr Mund energisch einen Kaugummi bearbeitete, rasch das Fenster an ihrer Seite herunter und lehnte sich wieder zurück. Wir fuhren durch den sonnengestreiften und gefleckten Wald.
    »Wie geht’s Mama?« fragte sie höflich.
    Ich sagte, die Ärzte wüßten noch nicht recht, was ihr fehle. Jedenfalls etwas Gastrointestinales. Was garstig Infernalisches? Nein, Intestinales. Wir müßten eine Weile in der Nähe bleiben. Die Klinik sei auf dem Lande, nahe der fröhlichen Stadt Lepingville, wo ein großer Dichter des frühen neunzehnten Jahrhunderts gelebt habe und wo wir uns alle Filme ansehen würden. Sie fand, das sei ein toller Plan, und fragte, ob wir noch vor neun Uhr abends in Lepingville wären.
    »Wir werden wohl zur Abendessenszeit in Briceland ankommen«, sagte ich, »und morgen sehen wir uns dann Lepingville an. Wie war die Tour? War’s schön im Camp?«
    »Mhm.«
    »Traurig, daß du weg mußt?«
    »N-n.«
    »Sprich, Lo... grunz nicht so. Erzähl mir was.«
    »Was denn, Papi?« (Sie dehnte das Wort mit ironischer Vorsätzlichkeit.)
    »Irgendwas.«
    »Ist es okay, wenn ich Papi zu dir sage?« (Augen zusammengekniffen und auf die Straße gerichtet.)
    »Aber ja.«
    »Ist doch zum Schießen, nicht? Wann hast du dich denn in meine Mami verknallt?«
    »Eines Tages, Lo, wirst du so manche Empfindung und Situation begreifen, zum Beispiel die Harmonie und Schönheit geistiger Verwandtschaft.«
    »Kack!« sagte das zynische Nymphchen.
    Kleine Flaute im Dialog, ausgefüllt mit etwas Landschaft.
    »Sieh nur, Lo, all die Kühe da auf dem Hang.«
    »Ich glaube, ich muß kotzen, wenn ich je wieder eine Kuh zu sehen kriege.«
    »Ich habe dich nämlich schrecklich vermißt, Lo.«
    »Ich dich nicht. Stimmt, ich war dir haarsträubend untreu, aber das macht nichts, weil du ja doch aufgehört hast, dich für mich zu interessieren. Du fährst viel schneller als Mami, junger Mann.«
    Ich ging von blinden 110 Stundenkilometern auf halbblinde 75 herunter.
    »Wie kommst du darauf, daß ich aufgehört habe, mich für dich zu interessieren, Lo?«
    »Na, du hast mir noch keinen Kuß gegeben, oder?«
    Innerlich vergehend, innerlich stöhnend, bemerkte ich vor mir einen angemessen breiten Seitenstreifen und holperte und schwankte hinein ins hohe Gras. Vergiß nicht, sie ist ein Kind, vergiß nicht, sie ist nur...
    Der Wagen war kaum zum Stehen gekommen, das floß Lolita geradezu in meine Arme. Weil ich nicht wagte, nicht wagte, mich gehenzulassen, nicht einmal wagte, mir klarzuwerden, daß dies (süße Feuchtigkeit und zitterndes Feuer) der Anfang des unsagbaren Lebens war, das meine Willenskraft, vom kupplerischen Schicksal kompetent unterstützt, hatte Wirklichkeit werden lassen - weil ich nicht wagte, sie richtig zu küssen, berührte ich ihre heißen, sich öffnenden Lippen mit äußerster

Weitere Kostenlose Bücher