Höhepunkte
Ehrfurcht -ein winziges Nippen, nichts Lüsternes; sie aber preßte mit einem ungeduldigen Zappeln ihren Mund so fest gegen den meinen, daß ich ihre starken Schneidezähne fühlte und an dem Pfefferminzgeschmack ihres Speichels teilhatte. Ich wußte natürlich, daß es ihrerseits nur ein unschuldiges Spiel war, eine Backfischschäkerei, die Imitation irgendeines Abklatsches gespielter Liebesleidenschaft, und da (wie der Psychoschinder und der Mädchenschänder bestätigen können) die Grenzen und Regeln solcher kindlichen Spiele fließend sind oder wenigstens zu kindlich subtil, als daß der erwachsene Partner sie begreifen könnte, hatte ich furchtbare Angst, ich könnte zu weit gehen und sie dazu bringen, angewidert und erschreckt zurückzufahren. Und weil mir vor allem qualvoll viel daran lag, sie in die hermetische Abgeschlossenheit der Verzauberten Jäger zu schmuggeln, und wir noch achtzig Meilen vor uns hatten, unterbrach meine glückliche Intuition unsere Umarmung - einen Sekundenbruchteil, bevor ein Patrouillenwagen neben uns hielt.
Mit rotem Gesicht und bauschigen Augenbrauen starrte der Fahrer mich an:
»Haben Sie vielleicht eine blaue Limousine gesehen, die Sie vor der Kreuzung überholt hat, selbe Marke wie Ihre?«
»Ich wüßte nicht.«
»Haben wir nicht«, sagte Lo und beugte sich, ihre unschuldige Hand auf meinen Beinen, diensteifrig über mich hinweg, »aber sind Sie auch sicher, daß sie blau war, denn...«
Der Polyp (welchen Schatten von uns verfolgte er?) schenkte dem Maidelein sein schönstes Lächeln und machte eine Kehrtwende.
Wir fuhren weiter.
»Der Esel!« bemerkte Lo. »Dich hätte er schnappen sollen!«
»Wieso um Himmels willen mich?«
»Weil die Höchstgeschwindigkeit in diesem dämlichen Staat achtzig ist und... Nein, jetzt brauchst du nicht langsamer zu fahren, du Dussel. Er ist ja weg.«
»Wir haben noch eine ziemliche Strecke vor uns«, sagte ich, »und ich möchte ankommen, bevor es dunkel wird. Also sei ein liebes Mädchen!«
»Böses, böses Mädchen«, sagte Lo genüßlich. »Jugendliche Delickwentin, aber offen und gewinnend. Das war ein Rotlicht. Ich habe noch nie so eine Fahrerei erlebt!«
Wir rollten stumm durch eine stumme Kleinstadt.
»Was meinst du, würde Mama nicht ziemlich toben, wenn sie herausbekäme, daß wir ein Liebespaar sind?«
»Um Gottes willen, Lo, so etwas dürfen wir nicht sagen.«
»Also ein Liebespaar sind wir doch, oder?«
»Nicht daß ich wüßte. Ich glaube, wir werden wieder Regen bekommen. Willst du mir nicht von den Streichen erzählen, die du im Camp ausgeheckt hast?«
»Du redest wie ein Buch, Papi.«
»Was habt ihr so getrieben? Erzähle, ich will’s wissen.«
»Bist du leicht geschockt?«
»Nein. Mach schon.«
»Bieg in einen einsamen Seitenweg, und ich erzähl’s dir.«
»Lo, ich muß dich ernstlich bitten, nicht den Clown zu spielen. Also?«
»Also... ich hab alles mitgemacht, was so an Aktivitäten geboten wurde.«
»Ensuite?«
»Angswiht lernte ich ein glückliches und ausgefülltes Gemeinschaftsleben zu führen und dabei eine harmonische eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Also eine reizende junge Dame zu sein.«
»Ja. So was habe ich in dem Prospekt gelesen.«
»Begeistert nahmen wir am gemeinschaftlichen Singen ums Feuer im großen Steinkamin oder draußen im Mondenscheiß teil, wo jedes Mädchen den Klang ihres eigenen Glücksempfindens mit der Stimme der Gruppe verschmelzen ließ.«
»Dein Gedächtnis ist hervorragend, Lo, aber ich muß dich ersuchen, die Schimpfwörter wegzulassen. Sonst noch was?«
»Das Motto der Pfadfinderinnen ist auch das meine«, sagte Lo verzückt. »Ich erfülle mein Leben mit lohnenden Taten, wie zum Beispiel... Na egal was. Es ist meine Pflicht... mich nützlich zu machen. Ich bin allen männlichen Tieren ein Freund. Ich gehorche. Ich bin wohlgemut. Das war wieder ein Polizeiwagen. Ich bin sparsam und total dreckig in Gedanken, Worten und Taten.«
»Jetzt bist du hoffentlich fertig, du witziges Kind.«
»Jawoll. Das war’s. Nein... Moment noch. Wir haben in einem Sonnenherd mit Reflektor gebacken. Ist das nicht aufregend?«
»Hört sich schon besser an.«
»Wir haben Zillionen Teller gewaschen. >Zillionen< ist ein Wort dieser Zwirnzicke und soll viele-viele-viele heißen. O ja, das Beste kommt zuletzt, wie Mutter sagt. Warte mal... Was war es doch? Ah ich weiß: Wir haben Röntgenaufnahmen gemacht. Ein toller Spaß!«
»C’est bien tout?«
» C’est. Außer einer
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