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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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der anderen Hand. Er paßt sich an, egal wo und wie ich ihn anfasse. Er würde in meinen Ellenbogen passen, meine Kniekehlen, meine Kehle, meine Achselhöhlen. Wie ich mich auch biege und ihn umschlinge. Ich halte seine Zehen in der Hand, seine Zunge ist in meinem Mund, ich rolle seinen Schwanz zwischen meinen Fußsohlen. Er seufzt. Dann nimmt er mich in die Hände, ergreift mir fest zwischen die Beine. Ich schwelle in seinen Händen. Ich werde zu einer Kurve, einer Sinuskurve. Wir gleiten umeinander. Wir werden zu Schlangen. Ich tanzte auf der Spitze seiner Zunge. Damit hat er mich gefangen, und er weiß es. Er läßt mich tanzen, bis ich zusammenbreche.
    Ehe ich komme, sehe ich ihm in die Augen, und ich kann die Abgründe sehen. Ich sehe seine nackten Augen. Sie sind hell, fast durchsichtig. Als habe grelles Licht ihre Farbe ausgeblichen, oder vielleicht sind sie zu Spiegeln geworden, und was ich sehe, ist meine eigene Begierde.
    Wenn ich bei Johnny bin, verschwimmen die Tage. Tag und Nacht sind eins. Wir waschen uns nicht, wir essen auf der Matratze, wir starren auf das Feuer in dem primitiven Kamin. Die Vorhänge bleiben zugezogen. Unser einziger Zeuge, unser Spiegel, ist der Fernseher, den wir ohne Ton laufen lassen, damit wir nachmittags keine Spiele verpassen. Aus den Augenwinkeln sehen wir die Bilder, sie flackern wie unsere eigenen Schatten. Manchmal ist es, als machten sie sich hinter unserem Rücken über uns lustig. Ich hasse diesen ständig flackernden Bildschirm. Ich habe deswegen einen Kampf geführt, habe aber nur beim Ton gewonnen. Johnny hat bei den Bildern gewonnen. Er sagt, er könne vielleicht ohne den Ton auskommen, brauche aber die niedrige Frequenz des Fernsehtons, den unsere Ohren wahrnehmen, auch wenn wir ihn nicht bewußt »hören«. Ich habe Angst vor der Strahlung des Fernsehers. Manchmal vermeide ich es demonstrativ, vor dem Fernseher vorbeizugehen. Ich gehe hintenherum, oder ich meide überhaupt diese Ecke des Zimmers. Manchmal sieht er aus wie der Körper eines kranken Insekts, das sich kaum noch regen kann. Warum eines Insekts, frage ich mich. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er aufsteht und weggeht, aber er sieht auch nicht wie eine Katze aus oder wie ein kleiner Bär. Er ist fremder und bedrohlicher mit seinem Flackern. Sein riesiges einziges Auge starrt uns an und spiegelt Bilder wie eine Iris in der Sonne.
    Wenn ich zwei, drei Tage hintereinander Pause habe zwischen meinen Gigs, dann gehe ich zu Johnny, und die Zeit steht still. Und wenn ich wieder auf die Straße trete, stürzen Licht und Lärm auf mich ein, als käme ich aus der Unterwelt. Selbst das diesige Sonnenlicht brennt in den Augen.
    Auf dem Weg nach Hause gehe ich bei Albertine vorbei, ich habe Angst, so stark zu riechen, daß Mimi fragt, was das ist. Aber sie wendet sich vom Küchentisch mir zu und gibt mir eine Zeichnung. Es ist eine Prinzessin mit einer üppigen Frisur, viel Haar und Ornamente mit Federn und Blumen und ein ausladender Hut, der vage an das Mittelalter erinnert und wie eine dreizackige Krone auf einer höchst kippligen Konstruktion sitzt. Langes braunes Haar fällt ihr bis zu den Ellenbogen, und ein weiter Rock bauscht sich bis zu den Füßen. Das Besondere an der Zeichnung ¡st, daß die Prinzessin sich eine Schlange um den Hals gelegt hat, die ihr über die Brust bis zum Rock reicht. Ich weiß, daß es eine Schlange ist, weil ich gefragt habe, und Mimi sagte, das ist natürlich eine Schlange. Mom, das sieht man doch, und das stimmt. Ich frage mich nur, woher diese Idee kommt, ich hoffe, daß sie das Bild irgendwo abgemalt hat oder daß sie einfach Bilder von Schlangen gesehen hat, vielleicht einen Dokumentarfilm über Schlangen; denn sonst wäre es ziemlich beunruhigend, darüber nachzudenken, warum Mimis Prinzessin eine Schlange als Symbol trägt. Es ist ihre Lieblingsschlange, erklärt Mimi, eine Boa, sie nimmt sie überallhin mit. Sie schläft sogar bei ihr. Nein! Doch, Mom, wirklich. Jetzt kichert Mimi wie verrückt. Würdest du mit einer Schlange schlafen? Ich? O nein, wie eklig! Ich hätte viel zuviel Angst. Und deine Prinzessin hat keine Angst? Sie kommt zu mir, kommt mit dem Mund ganz nah an mein Ohr und haucht mehr, als daß sie flüstert: Mommy, sie wird sich in einen Prinzen verwandeln. Ich dachte eigentlich, daß sich Frösche in Prinzen verwandeln, sage ich. Mommy! sagt Mimi. Doch nicht bei meiner Prinzessin. Sie haßt Frösche.
    Sie hat also nicht gemerkt, wie ich rieche. Aber

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