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Höhepunkte

Höhepunkte

Titel: Höhepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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gegenübersaß, die Stühle eng aneinandergerückt und die Berührung mit Armen und Schultern suchend.
    Louis fühlte sich leicht und fröhlich und wohl wie seit langem nicht mehr. Seine Pflichtvergessenheit berührte ihn nicht im geringsten. Das ließe sich ausbügeln oder auch nicht. Er mochte diese Nacht in seinem späten Leben nicht missen. Er beugte sich ein wenig vor und betrachtete das Gesicht des schweigsamen Schwarzen.
    Es war ein großes, ausgeglichenes und sehr sympathisch wirkendes Gesicht. Louis verstand Beas Vorliebe für diesen Schwarzen. Ihre Liebe. Erstaunt erblickte er die glimmenden Punkte in den Pupillen seines Gegenübers.
    »Geben Sie sich keine Mühe, Bob ist stumm!« erläuterte Bea. »War er schon von Geburt stumm?«
    »Seine Stummheit ist die Folge einer schweren Kopfverletzung. Eine junge Gewerkschafterin, die ihn liebte, nahm ihn zu Demonstrationen mit. Einmal kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Junge Anarchisten prügelten sich mit der Polizei. Die Gewerkschafter verließen den Platz. Die Anarchos liefen davon. Bob allein blieb stehen. Ein ganzes Jahr lang lag er in der Klinik. Sein Mädchen, die Frau von der Gewerkschaft, sorgte für ihn, er hat viele Frauen, die für ihn sorgen, und alle kommen von Zeit zu Zeit hierher, um Bob zu besuchen.«
    »Aber er sagt doch kein einziges Wort -«
    Bea antwortete auf diese Dummheit nicht. Sie glich sich ihrem Freunde, dem Schwarzen, an.
    »Was sind das für Frauen, die Bob hier aufsuchen?« gab er dem Gespräch eine andere Wende.
    »Sie würden sie als Aussteigerinnen bezeichnen.«
    »Wo steigen sie aus? Was verlassen sie?« Er hielt nicht viel von Aussteigern. Es kam ihm vor wie Davonlaufen. Obwohl er verunsichert genug war. Doch wollte er nicht ein Extrem durch das entgegengesetzte auswechseln. Er war selbst verändert, einer, der aufbrach und sich löste und nicht recht wußte, wohin es ihn führen würde. Was Bea über Bobs Freundinnen andeutete, begann ihn zu interessieren. Er dachte an die Frauen in seinem Verwandten- und Freundeskreis. Ihm schien, als deutete sich da auch manches an. Aber was war es, das sich andeutete? Was bereitete sich vor? Es gab Frauen, die plötzlich nicht mehr wie vordem alles taten und akzeptierten. Doch was wollten sie eigentlich?
    Als kenne Bea seine Gedanken, antwortete sie: »Die Frauen beginnen das Abenteuer des Lebens zu entdecken. Ich könnte dir Bobs Freundinnen schildern, und du würdest staunen, wie unterschiedlich die Typen sind, du würdest dich wundern, weil sie in nichts zueinander passen, ausgenommen in dem einen -«
    »Ausgenommen in dem einen?«
    »Frauen besaßen nie einen eigenen Willen.«
    »Doch, den Willen ihres Mannes. Und blieben sie ohne Mann, wagten sie nicht, einen eigenen Willen zu entdecken und zu behaupten.«
    »Das wird jetzt anders.« Bea lächelte ihm zu und wandte sich zu Bob an ihrer Seite. Ihn mit der Schulter zart berührend.
    Es wirkte nicht wie - es war wirklich und wahrhaftig eine durch und durch liebevolle und ebenso glücklich-obszöne Berührung. Tatsächlich erhielten unter Beas Griffen die Berührungen ihre alte gute Bedeutung des Obszönen zurück. Die Muskeln zuckten. Die Haut ist keine Wüste. Aller Anfang alles Lebens ist das Leben. Louis begriff, daß Bea versuchte, ihn für sich und Bob und ihre Freunde und Freundinnen zu gewinnen, und er überlegte, ob er es fertigbrächte, so ohne Mordgedanken zu existieren, wie sie es verlangten.
    »Sie verstehen, was wir erwarten, Louis?«
    Er zögerte mit der Antwort.
    »Bisher wurde zwischen Leben und Kunst getrennt, wir aber versuchen, das Leben zum Kunstwerk zu gestalten. Das bedeutet nichts Geringeres, als daß wir uns bemühen, jede unserer Handlungen dem Ziel des Gestaltens unterzuordnen.«
    Bea hielt Bob umschlungen und küßte ihn mit vorgewölbten Lippen. Sie griff Bob hinter den Gürtel.
    Louis beobachtete die beiden und fragte sich unsicher, ob er es fertigbrächte, so zu sein wie sie. Er war aber weder eine Frau noch ein von seinem Gedächtnis befreiter schwarzamerikanischer Liebesheld. Nein, in ihm überdauerte das alte, mörderische Erbe des weißen Eroberers, und ihm fiel die verbale und akustische Nähe der beiden Genitive auf: des Eroberers - des Europäers.
    Wollte einer wie er, Louis, die Nähe, die Freundschaft und Zärtlichkeit gewinnen, mußte er sich weit von seinem alten Adam entfernen, von seinen eingetrichterten Schulweisheiten, von der Kasernenhofdisziplin, von den Techniken der Inbesitznahme. Die

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