Höhepunkte
doch sein Lebensmut war angestachelt worden. Vor Feinden oder auch nur neutralen Beobachtern hätte er es nicht über sich gebracht.
Beas Worte und Blicke jedoch waren von einer so bestärkenden Art gewesen, daß er sich geschämt hätte, den Antrag weiterhin abzuschlagen.
Er folgte Bea zurück in den großen Saal, und nach einigen Schritten hielt er sich mit ihr gleichauf. Zwar merkte er, wie sie ihn auf ein Ziel lenkte, doch wurde es ihm erst bewußt, als sie beide einhielten und vor dem großen Eichentisch standen, auf dem der riesige schwarze Supermann und Bea gelegen hatten. »Keine Bange«, flüsterte Bea und hauchte ihm einen Kuß auf die Lippen, bevor sie sich zurücklegte und öffnete.
Louis warf einen scheuen Blick zur Seite. Beruhigt registrierte er, die anderen Gäste hatten sich miteinander verbrüdert und verschwestert, sie bildeten kleinere und größere Gruppen, innerhalb derer sie ihre Liebesvorstellungen mit Eifer zu verwirklichen trachteten.
Er legte sich, noch ein wenig befangen und ungeschickt, auf Bea, die ihn in ihren sanften Anfangsrhythmus einbezog, als wolle sie ihn in Schlaf wiegen. Da besann er sich und legte eine härtere Gangart vor.
Nichts von dem, was um sie herum geschah, drang noch zu ihm durch, während sie sich paarten.
Ganz zu Anfang erinnerte er ein paar angelesene Sätze: »Da der notierende Naturalismus des Geschlechtsverkehrs keinerlei Sensationen mehr zu bieten hat, ist es an der Zeit, die in jedem Fick enthaltene Poesie zu entdecken und zu befreien. Auch auf die Gefahr hin, daß die Maschinenficker ratlos die Schultern heben: Derlei widerfährt uns nie.
In der Tat, es gibt Millionäre, die so arm sind, daß sie vor lauter Trübsal und Langeweile zu Vogelscheuchen erstarren. Und wir kennen windige Typen mit leeren Taschen, die vergnügt ihren Steifen vor sich her tragen. Weshalb aber sollte es nicht möglich sein, weder arme Sau noch kastrierter Millionär zu sein? Wer maßt sich die alte dumme Einteilung und Hierarchie an, die den einen Geld und Ekel zumißt und den andern Armut und Vitalität? Warum darf ich kein vitaler, sympathischer, kämpfender und gern auf diesem verdammten Erdboden weilender Millionär sein?«
Ihm fiel nicht ein, von welchem humoristischen Romanschriftsteller diese Sätze stammten, die ihm durchs Gehirn sprangen und zuckten. Er war auch nicht mehr ganz Herr seiner Gefühle, nicht ruhig genug fürs Erinnern und für die Wonnen der Zitatmaschine. Er lag inmitten der andern und versuchte sich den Griffen Beas zu öffnen, was ihm schwer genug fiel, denn der Mann ist mehr noch als die Frau eine Rinde am Baum - ein Schutz nach außen, also rauh und verwittert. Er lag und experimentierte mit der Weichheit seines Herzens und versuchte arglos zu sein, freundlich, also ganz und gar ohne Arg und Hinterlist. So bemühte er sich, gegen alle zurückliegenden Lebenserfahrungen anzuleben, gegen die Kriegsmaschine Mensch.
Ganz am Anfang leistete der Rest Außenwelt in seinem Inneren hinhaltenden Widerstand. Ein wenig Erinnerung an die Pflichtverletzung, die er sich zuschulden kommen ließ, war da, und ein Schatten Unbehagens, weil er sich’s so leicht machte, dann dachte er daran, daß er sich in einem Zustand gänzlich ohne Haß und Feindschaft und Konkurrenzkampf befand. Seine Gegner verloren an Schwerkraft, seine Bekannten entschwanden in die tiefen Täler des Vergessens, er besaß Zeit, viel Zeit, und die Ruhe des Genusses umgab ihn als eine zurückgewonnene Natur. Er wußte, er hatte sich schon lange danach gesehnt, dorthin zurückkehren zu können, von wo er vor langen Zeiten ausgesandt und ausgestoßen worden war.
Sein Blick senkte sich und traf auf den Blick der unter ihm ruhenden Frau, die ihn aufnahm und mit speichelfeuchten Lippen murmelte: »Komm!«
Er tat weder eine Pflicht, noch beglich er angelaufene Schulden, noch tat er es, weil er es zu tun hatte und es von ihm verlangt wurde. Es war ganz anders und auf eine erfrischende, umstürzende Art und Weise neu.
Aus den letzten erkennbaren Tiefen seines Gewissens rief ein verborgener Mund die Worte heraus, die Bea vordem gesprochen hatte. Jaja, dachte er und sprach es wohl auch aus, rauben wir dem Leben etwas von seinem tödlichen Gewicht und dem Coitus die schwere Gewichtigkeit der Notdurft. Er fühlte sich leicht und beschwingt und wie jemand, der fliegen kann.
Am Morgen frühstückten sie zu dritt. Er, Bea und der schweigsame Schwarze. Louis Wern betrachtete das seltsame Paar, das ihm
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