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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Janette«, nölte Florian in seiner langsamen Art, »dass öffentliche Aufträge über fünf Millionen EU-weit ausgeschrieben werden müssen.«
    »Wetten, dass Alfons trotzdem den Auftrag kriegt! Und wenn der Bund das Gelände verkauft, ist der Auftrag ohnehin nicht mehr öffentlich.«
    »Was für ein Auftrag?«, fragte ich.
    »Na was für einer wohl«, antwortete Janette. »Der Truppenübungsplatz braucht Aussichtsplattformen, Parkbänke, Grillplätze und so weiter. Man will regionale Firmen zum Zuge kommen lassen. Wenn die Litauer oder Polen billigere Angebote machen, dann wird man sich was einfallen lassen müssen. Zum Beispiel die Privatisierung des Geländes. Die Natra hat potente Gesellschafter, die nur darauf warten, es zu kaufen.«
    War das Grund genug für Oberstaatsanwalt Dr. Richard Weber, sich die Wanderstiefel anzuziehen?
    »Florian wird sich da schon was einfallen lassen. Gell, du und deine IPE.«
    »Das ist nicht meine IPE«, sagte Florian. »Ich arbeite nur für die, und zwar auf Honorarbasis.«
    »Was ist die IPE?«
    »Industrie- und Personalentwicklung«, antwortete Ja nette. »Kurz, IPE. Sitzt in Haid.«
    Ich nickte. Auf dem Weg von Reutlingen nach Troch telfingen war ich durch Haid gekommen.
    »Willst du mir etwa vorwerfen, dass ich Geld verdie ne, Janette?«, trauerte Florian. »Wovon sollen wir denn das Haus abbezahlen? Außerdem dürfte Lisa das kaum interessieren.«
    Doch, brennend. Aber wir mussten uns nun Janettes schrille Erklärung anhören, dass sie durchaus genug verdiene für Laura und sich selbst. »Und wenn wir in Reutlingen wohnen würden, müsste ich auch nicht so viel fahren! Außerdem sind die Schulen besser!«
    »Aber wir waren uns doch einig, dass hier oben die Luft besser ist!«, sagte Florian.
    »Du warst dir einig!«, schrie Janette und knallte die Tür.
    Florian rülpste. »Seit Sibylles Tod hat sich Janette verändert«, bemerkte er. »Ich glaube, sie macht sich Vorwürfe, dass sie ihrer besten Freundin nicht hat helfen können. Aber mit mir redet sie ja nicht darüber.«
    »Moment! Hark Fauths Frau war Janettes Freundin?«
     

5
     
    Es war zu still zum Schlafen in der Kammer unterm Dach. Da ich auf eine Übernachtung nicht vorbereitet war, fröstelte ich in Schlüpfer und Unterhemd unter der Bettdecke. Mein Kreislauf neigte nach Anstrengungen dazu abzusacken. Oder es lag an den Nachwirkungen meines Schocks am Waschbecken. Ich hatte die Uhr unterm Wasserhahn abgespült. Urplötzlich war der Gedanke über mich gekommen, ich hätte diese Uhr schon mal gesehen, und zwar am Handgelenk von Oberstaatsanwalt Richard Weber, der seit nunmehr acht Tagen für mich unauffindbar war. Wenn er das nun war, den ich tot in der Mondscheinhöhle …
    »Unsinn!«, redete ich mir ein. »Das ist absoluter Quatsch. Mach dich nicht verrückt!« Nur weil Richard Uhren trug, deren Zeitlosigkeit ans Altmodische grenzte, musste es nicht diese gewesen sein. Ich nahm im Dunkeln mein Handy und simste zum fünften Mal an Richard. »Leiche in Mondscheinhöhle gefunden. Melde dich. L.«, lautete meine Botschaft diesmal.
    Als mir das Bewusstsein gerade schwand, tappte jemand die Treppe hinunter und wieder herauf. Zweiter Versuch. Als um fünf die Amseln anfingen, die Neubausiedlung am Hang zu beschallen, war ich wieder wach. Die aufkeimende Dämmerung modellierte in der Dachkammer Omas Nachkriegsmobiliar, das zum Rauswerfen zu schade und zum Wohnen zu düster war. Schließlich verstummten die Amseln und ich schlief, bis die Sonne um die Dachfensterkante bog. Dann weichte ich meine Muskeln unter der Dusche auf, zog das Bett ab und faltete die Laken.
    Janette war schon weg, als ich hinunterkam. Unter ei ne Schüssel, in der Linsen im Wasser quollen, hatte Janette einen Zettel geklemmt, auf dem sie mir mitteilte, sie sei am Lippertshorn bei der Bergung, und Laura und Florian seien zum Pfingstmarkt nach Laichingen gefahren. »Hab einen schönen Tag, Lisa. Melde dich mal wieder.«
    Ich verließ das Haus ohne Abschied.
    Brontë interessierte sich nicht für landschaftliche Schönheiten. Die Schwäbische Alb war oben eher platt. Das Wetter hatte dem Wetterbericht getrotzt und zeigte Sonne. Das wiederum hatte Familien bewogen Parkplätze anzusteuern. Schilder warnten allenthalben vor Wande rern, die sich mit Hut, Stock, Rock und fliegenden Haa ren quer über die Straße stürzen würden.
    Auf der Heeresstraße geriet die Kolonne wegen einer Familie auf Rädern ins Stocken. Vater machte die Vorhut, die Kinder

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