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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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an den Knopf der Jeans, die hüftig hing.
    »Na, Winnie, was ist?«, echote der junge Indiana Jones.
    Ich öffnete meinen Knopf und fasste mir an den Zipper. In der Peripherie sah ich die Männer den Atem anhalten. Ein Striptease ist eben immer ein Striptease.
    »Auf geht’s, Winnie?«, lächelte ich und zippte, den Blick in die blassblauen Gucker des Höhlenbären gebohrt. Seine Kiefermuskeln zuckten.
    »Jetz isch’s aber gut, mein Junge«, schlichtete der Grauhaarige. »Wenn du seiche musch, na gesch da nom! ’s isch a Dame anwesend!«
    Gelächter. Winnie lockerte sich wieder. »Also, was willst du wissen?« Er stemmte die Hände auf die Hüften und ließ das Brustbein knacken. »Warum wir rote Seile haben, willst du wissen? Das ist ganz einfach: Die Höhlenrettung verwendet rote Seile, damit man sie unterscheiden kann von denen, die wo die zu Bergenden in den Schacht eingebaut haben.«
    Ich knöpfte mich zu. »Und die weißen Seile?«
    »Die meisten statischen Seile von Petzl sind weiß.«
    »Und was ist ein statisches Seil?«
    »Und dich hat der Hark da gestern runtergelassen?«
    »Ich bin Freeclimber!«
    Winnie zog die buschigen Brauen hoch. »Aber dass ihr an der Wand dynamische Seile verwendet, das weißt du?«
    Ich nickte. »Sie geben nach, um die Sturzenergie durch Dehnung zu absorbieren. Höhlenseile tun das also nicht, nehme ich an.«
    »Ganz recht«, sagte Winnie. »In einer Höhle sollte man überhaupt nicht ins Seil fallen. Falls es doch mal passiert, falls! …« Er hob seinen kurzen, aber dicken Zeigefinger. »… dann will man sich in einem engen Höhlenschacht nicht alles abschrammen, weil das Seil nachgibt.«
    Die neuerliche nahezu haltlose Heiterkeit der Herren half Winnie, sich noch ein Stück aufzupumpen. »Außerdem, hast du schon mal versucht, mit Steigklemmen an einem dynamischen Seil hochzukommen?«
    Ich schüttelte das Köpfchen.
    »Dann versuch’s gar nicht erst.« Winnie packte mich am Arm und spaltete mir mit seinem Daumen durch die Lederjacke hindurch den Bizeps. »Dazu braucht man nämlich echte Muckis. Beim Wichsen kriegst du die nicht!«
    Gelächter.
    »Und schwarze Seile? Was ist mit denen?«
    Er ließ los und wandte sich ab. »Die tät man ja nicht sehen.«
    Ich ordnete meine Gedanken. War es doch eine Schwarze Mamba gewesen, die sich auf dem Toten gekringelt hatte?
    »Die gibt’s schon auch«, sagte der große Grauhaarige. »Beim Sicherheitsdienst für Nachteinsätze.«
    »Also beim Grenzschutz und der Polizei?«
    »Und bei der Bundeswehr.«
     

7
     
    Der Regen pladderte, die Scheibenwischer knirschten. Janette saß auf dem Beifahrersitz. Kein Wort über den blechernen Charme meines Gefährts, keine Frage, nach welcher der drei Brontë-Schwestern sie benannt war.
    »Und was«, fragte sie endlich, als wir nach Trochtelfingen hinabrollten, »was hättest du gemacht, wenn Winnie …?«
    »Der? Nie! Meiner hätte ja länger sein können.«
    Ich spürte, wie Janette mich von der Seite musterte, und blickte nicht hin. Der Regen hatte die Straße im Spalier der Fachwerkfassaden leer gespült.
    »Und was war so wichtig daran, dass die Höhlenrettung rote Seile verwendet?«
    »Auf dem Toten lag ein Seil. Aber es war weder weiß noch rot, sondern schwarz.«
    »Ein Bundeswehrsoldat? Aber in Münsingen sind kei ne mehr. Und was sollte der in der Höhle gesucht haben?«
    Vielleicht die Uhr, dachte ich, sagte es aber nicht. Vielleicht war sie wirklich teurer. Was hätte wohl Kommissar Abele gesagt, wenn ich sie ihm überreicht hätte? Womöglich hätte er mich sofort festgenommen.
    Ich kurvte zum Polizeiposten, vor dem Janettes Golf stand. Das Haus daneben übertrieb es eindeutig mit dem Fachwerk. »Aber nun gibt es ja keine Leiche mehr.« Ich hielt und stellte den Motor aus. »Und selbst wenn, es ist nicht mein Job, mich dafür zu interessieren, Janette. Dan ke für das Bett heute Nacht. Es … es hat mich sehr gefreut, dass wir uns mal wieder gesehen haben.«
    »Mich auch.«
    Ich überlegte, ob ich ihr wenigstens ein französisches Küsschen abluchsen konnte. Jetzt, wo sie mich zum ers ten Mal bewunderte. Jedenfalls irgendwie.
    »Aber die Leiche«, sagte sie, die Hand wieder vom Türgriff zurückziehend, »kann doch nur jemand entfernt haben, der gestern mitgekriegt hat, dass wir … dass du sie entdeckt hast.«
    »Hast du es jemandem erzählt außer Florian und Laura?«
    »Der Stallwache in der Redaktion natürlich, damit er mir Platz freihält für meinen Artikel. Ich habe aber nicht

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