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Höhlenangst

Höhlenangst

Titel: Höhlenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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sich herzieht, warteten darauf, entpackt zu werden. Am Baumstamm reihten sich rote Sporttaschen mit aufgedruckter Spinne. Bündelweise lagen Seile herum. Vier grün Uniformierte standen sich die Beine in den Bauch, und auf einem silberfarbenen Metallkoffer saß ein Mann und rauchte, der Leichenbeschauer, extra angereist aus Tübingen.
    Der im braunen Anzug stellte sich mir als Hauptkommissar Abele vor. »Und Sie wollen hier gestern eine Leiche gesehen haben?«
    Heinz Rehle biss sich die Spitzen seines Schnauzbarts von der Oberlippe. Vermutlich war Abele der Dorfdepp in seiner finalen Rolle als Inspektor Derrick.
    »Was ist denn los?«, wandte ich mich an Janette. »Kriegt ihr ihn nicht raus? Oder habt ihr noch gar nicht angefangen?«
    »Ha!«, ratzte Rehle. »Rauskriegen, des isch gut. Was sollen wir denn da rauskriegen, Winnetou? Eine Leich isch jedenfalls nicht daonde!«
    »Bitte?«
    »Da unten ist keine Leiche«, wiederholte Janette in einem Ton knapp unter der Hysteriegrenze. »Und nun fragen wir uns hier alle, was du eigentlich gestern gesehen hast.«
    »Eine Leiche jedenfalls nicht, junger Mann!«, arbeite te sich der dörfliche Nick Knatterton nach vorn. »Aber auch das Vortäuschen einer Straftat ist strafbar!«
    Allerdings hatte ich nicht behauptet, den Toten in der Höhle auch gleich ermordet zu haben.
    »Wenn Sie sich jetzt also bitte mal ausweisen würden.«
    »Ihnen, Herr … äh …?«
    »Kriminalhauptkommissar Abele, PD Reutlingen, wie schon gesagt.«
    Ich fragte mich, was fiebriger glitzerte, seine Brillengläser oder die Hundeaugen dahinter. »Mein Ausweis gegen Ihren! Sonst könnt ja jeder kommen, gell.«
    Vor meinen Augen grünte grimmig der Ausweis der Kriminalkommissare. Dieser Abele war tatsächlich echt!
    »Ich muss mich mal setzen.«
    Hätte Heinz Rehle mich nicht mit väterlichem Polizeigriff am Arm festgehalten, ich wäre neben dem Baumstamm im Bärlauch gelandet und hangabwärts gekugelt.
    »Möchten Sie jetzt sofort eine Aussage machen, junger Mann? Ihr Gewissen erleichtern.« Verrückt war KHK Abele ohne Zweifel. Als ob er seinen Job im Fernsehen gelernt hätte. Ich gab ihm meinen Personalausweis. Abeles Augen ploppten gegen die Brillengläser. Dann lief er rot an. Schweigend gab er mir den Beweis seines Irrtums zurück, drehte sich auf dem Absatz um und winkte den Polizeiarzt von seinem Koffer zum Abmarsch.
    Rehle runzelte die Stirn.
    »Keine Leiche?«, wandte ich mich an ihn. »Das kann nicht sein. Wart ihr denn am Toten Ende?«
    »Toter geht es nicht«, mischte sich jetzt ein Mann ein, der den orangeroten Schlaz von seinem muskelprallen Oberkörper geschält hatte. »Sogar im Wurmschacht waren wir. Aber nix. Kein Fatz von einem Toten!« Er überprüfte auf meiner Augenhöhe mit breiter Hand den Sitz seines Gemächts.
    »Aber … aber das kann nicht sein!«, sagte ich. »Ich habe ihn  ganz genau gesehen. Zwar nur kurz, aber …« Hinter meinen Augen verwischte sich das Bild schon. »Weißer Helm mit Stirnlampe, erloschen, orangeroter Schlaz.«
    »Stirnlampe?«, fragte der Höhlenretter. »Welches Fabrikat?«
    »Gott, ja …«
    »Und der Helm? Weiß war er? Hatte er kleine Luftlöcher, gar keine oder große an der Seite?«
    »Ich kann mich an keine Löcher erinnern.«
    »Das hilft uns nicht weiter.« Er lockerte das Bein in der Hüfte, schob die Schultern zurück und ließ das Brustbein unterm weißen T-Shirt knacken. Seine Arme waren schwarz behaart.
    Ich wandte mich an Rehle. »Er klemmte im Spalt. Die Spurensicherung muss doch Fasern finden, Kratzspuren …«
    »Und wie sollen wir die Spurensicherung da nonder bringe, eh?«, erkundigte sich Heinz. »Des send doch keine Höhle’fahrer. Und wie sollen die da onde arbeite? Kopfüber am Seil hängend, eh, Winnetou? Wie hasch dir des denkt?«
    Mein Blick zappte von Stiefel zu Stiefel der herumstehenden Höhlenretter, über den zertrampelten Waldboden bis zum Höhlenmund am Felsfuß. Schon gestern Abend hatten wir das Kraut platt gedrückt und jede Menge Reifenspuren auf den Waldwegen hinterlassen. Man hätte heute Nacht eine Elefantenherde an die Höhlen treiben können, um den Toten herauszurüsseln, ohne dass man das jetzt noch kriminaltechnisch hätte feststellen können.
    »Und warum«, sagte Rehle, »hätt au justemang heut Nacht einer da nonderkrauche solle? Seltsamer Zufall, gell? Woher hätt der denn wisse solle, dass ma dort geschtern an Dode gefunde hätt?«
    Er brachte es auf den Punkt.
    »Ich muss mal kurz …« Ganz

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